Autor: Hakan Gürses

Ein letztes Bild zum Abschied

Erwin Riess ist gestorben. Er war mein Freund, mein Weggenosse. Das hier ist kein Nachruf, dazu fehlt mir die erforderliche Distanz. Dieser Text ist die schnell erzählte Geschichte einer Zeichnungsreihe, welche nun mit einem letzten Bild ihren endgültigen Abschluss findet. Wir lernten uns 1993 kennen, als ich Erwin an seinem damaligen Arbeitsplatz im Sozialministerium aufsuchte und fragte, ob er denn für die Zeitschrift „STIMME von und für...

Dreifaches Jubiläum

Die Initiative Minderheiten nimmt an dieser Konfrontation seit 30 Jahren beständig teil. Ihre Art ist weniger von verbalradikalem Getöse geprägt als vielmehr von einer kompetenten (und mühsamen) Suche nach den Fäden, welche die Vielen miteinander verbinden – gegen Rassismus, Sexismus, Homophobie, Behindertenfeindlichkeit, Antisemitismus, Antiziganismus und weitere Formen von Diskriminierung und Unterdrückung. Und die Stimme und der IM BLOG verstehen sich als Teil dieser Suche.

Politische Seelenleiden im Herbst

Hinter all diesen Ereignissen, vom Umgang mit der Pandemie über die ideologische (Selbst-)Legitimation autoritärer Regierungen bis hin zum angeblich wienerisch-gemütlichen „Schleich di, du Oaschloch“-Slogan dieser Tage als Terrorabwehr und zur offiziellen Handhabung der globalen Gefahr durch die Klimakrise, sehe ich stets die hässliche Fratze des immerwährenden Nationalismus frech grinsen.

Die vorletzten Tage der Menschheit

DER OPTIMIST: Es ist nicht alles schlecht. Wir können uns heute einiges leisten: neue Kleidung, Auto, Eigentumswohnung in der Seestadt, Theater, Konzert und Weihnachtsmarkt. Wer fleißig und willens ist, bekommt eine gutbezahlte Stelle, mit Homeoffice und Work-Life-Balance, 14 Gehälter, fünf Wochen Urlaub. Es gibt Schlimmeres. DER NÖRGLER: Nur wenn man sich umzuschauen weiß. Global-nördlicher Echoraum und schichtspezifische Filterblase heißen die neuen Mauern, gegen die sich jeder eiserne...

Von Menschenansammlungen und deren Abholung

Es gibt wieder einmal schlechte Nachrichten. Gottlob nichts Trauriges, Verstörendes und Leidvolles aus dem Privatleben, obwohl sich meine akuten Schulter- und Magenschmerzen, der halbierte Schlaf oder die melancholische Stimmung durchaus sehr privat anfühlen. Die wohl biografisch fundierte Wahrnehmung manch öffentlichen Informationsflusses bereitet mir und vielen mir bekannten Personen derzeit Unwohlsein. Der Angriff der türkischen Armee in Begleitung der lokalen Platzhalter auf Rojava; die dadurch angespannte geopolitische Lage...

Angst vor Dummheit

Ich will heute von FOBO plaudern. Wenn Sie wirklich geglaubt haben, ich würde hier über die Insel der Psychodeligen schreiben, wo anständig blau abgefüllte Politiker vor einiger Zeit Glock-Spiele mit einer pedikürevergessenen russischen Schauspielerin veranstaltet hatten, dann haben Sie sich geschnitten – und zwar am Polizeipferdeschwanz. Das Video hat es zwar Kurz ein Wochenende lang die Strache, äh Sprache verschlagen, ist aber mittlerweile so Schnee von gestern,...

Ausschnitt eines Ölgemäldes aus dem 18. Jh. über Totentanz. WELLCOME IMAGES, LONDON/ CC BY 4.0

Danse macabre

Dann tritt er auf. Der Kameraschwenk vom Doppelbild auf sein Gesicht gleicht der Erfüllung einer Bestimmung. Was das Publikum darauf zu sehen bekommt, kann nicht in Begriffen der Physiognomik wiedergegeben werden, obwohl diese gewöhnlich den Wortschatz der Fernsehunterhaltung bilden. Die Öffentlichkeit kennt das Gesicht viel zu gut, um es rein nach ästhetischen oder phänotypischen Kriterien zu bewerten. Es ist ein Gesicht mit widersprüchlicher Geschichte, er war einst...

Von Gedenk- und Feiertagen

Ein gutes Jahr beginnt mit … genau: mit einer Liste der Gedenk- und Feiertage, die im selbigen auf die Menschheit zukommen werden, zumindest auf die Menschheit in Österreich. Ein Blick ins Internet verrät da Einschlägiges. Es wird ein gutes Jahr, Bedeutungsschwangeres fließt im Land der Berge talaufwärts hin zu seiner Bestimmung. Ja, die Berge! Kaiser Maximilian I., einer der größten Habsburger überhaupt, der stets friedliebend regiert (25...

Frohe Weihnachten!

Es ist eine junge Tradition (he, Sprachpatrouille, ist das jetzt ein Oxymoron?), dass ich in diesem Blog mittlerweile immer den letzten Eintrag des Jahres anfertigen muss. Der Sachverhalt wird von Kolleg_innen damit begründet, dass ich keine Kinder und deswegen eine Menge Zeit hätte, jenseits des Einkaufsstresses, zudem religions- wie brauchtumstechnisch gelassen, die Weihnachtszeit zu verleben und nebenher Blogeinträge zu schreiben. Ich vermute allerdings etwas anderes hinter diesem...

Die Ferne

Es ist ein schöner Tag, Freude liegt in der Luft. Alles riecht nach Freiheit und Seelenruhe. Ich kaufe die Zeitung, schlage sie auf. Schatten treten ein, mitten in der eisigen Nacht. Sie scheinen selbst vereist zu sein, so unbeweglich sind sie und dunkel. Zwei Raubvögel kreisen über meinem Kopf, sie sehen hungrig aus. Ich staune, denn ich habe keine Angst. Sie fliegen kopfüber herab und nehmen vor...