Kategorie: Buchbesprechung

Idomeni – Die Geschichte von Überlebenskünstler*innen

Die Zeltstadt in Idomeni, einem Dorf mit ca. 150 Einwohner*innen an der griechisch-mazedonischen Grenze, wurde zum Inbegriff für die „hässlichen Bilder“, ohne die es – so der österreichische Bundeskanzler einer extrem rechten, rechtskonservativen Regierung – im Zuge der sogenannten „Schließung der Balkanroute“ nicht abgehen würde. Zwischen Februar und Mai 2016 bewohnten zwischen 10.000 und 15.000 geflüchtete Menschen diesen Ort, obwohl er für nur maximal 1.500 Personen vorgesehen...

Lafala und die minoritäre Globalisierung

Rechtzeitig zu 100 Jahre Behindertenbewegung erschien dieses Frühjahr mit Romance in Marseille ein erstaunlicher Roman, der fast ein Jahrhundert auf seine Veröffentlichung warten musste. In den späten 1920er Jahren, als sich in Österreich die ersten Behindertenorganisationen formierten, trieb sich der jamaikanische Kosmopolit Claude McKay an den Docks von Marseille herum und lernte da einen beinamputierten nigerianischen Seemann kennen, den er bald darauf als Lafala zum Protagonisten seiner...

Sichtbarkeit vs Unsichtbarkeit – ein perspektivisch bestimmter Wunsch?

Im Zentrum meines heutigen Blogbeitrags stehen zwei aktuelle Publikationen:  Der Sammelband “Migration bewegt und bildet”, hrsg. von Erol Yildiz et al., und die Dissertation “De-Colonising the Western Gaze: The Portrait as a Multi-Sensory Cultural Practice” von Angelika Boeck, die sich beide mit der Herangehensweise von Gesellschaften in Bezug auf das Nicht-Eigene auseinandersetzen; aus soziologischer Perspektive die eine; aus der Perspektive der Kunst die andere. Während der Sammelband...

History must restore what slavery took away – Eine Untersuchung amerikanischer Museen

Auf vier ausgedehnten Forschungsreisen durch die amerikanischen Südstaaten, aber auch nach Chicago oder Washington D.C., haben Cornelia Kogoj und Christian Kravagna über 80 Museen besucht, die sich mit Schwarzer Geschichte in den USA beschäftigen. Die Autor*innen waren zunächst von einer Frage geleitet, die sich aus der eigenen wissenschaftlichen und kuratorischen Praxis ableitet: der Frage nach der (Selbst)Repräsentation von unterdrückten Minderheiten in musealen Kontexten. Damit einher geht selbstverständlich...

Aspekte der österreichischen Migrationsgeschichte

Das Buch „Aspekte der österreichischen Migrationsgeschichte“, erschienen im März 2019, hat große Ziele – und eine Vision: eine Gesellschaft, in der alle Geschichten zählen. Wenn Geschichten nicht erzählt werden, verlieren sie ihre Bedeutung. Und jene, die diese Geschichten erleben, leiden darunter; sie fühlen sich nicht gehört, nicht verstanden. So geht es hunderttausenden Menschen in Österreich: vor allem Migrant*innen, geflüchteten Personen und ihren Nachkommen. Deren Geschichten haben bisher...

MY EYES ON: … “Heimkehr” von Toni Morrison

Die Verhandlungen von Präsident Trump mit dem nordkoreanischen Machthaber Kim Jong-un haben wieder in Erinnerung gerufen, dass der Koreakrieg nach 66 Jahren Waffenstillstand noch immer nicht durch einen Friedensvertrag beendet wurde. Im Koreakrieg sowie in den Jahren nach dem Krieg, in den USA der 1950er Jahre, ist der Roman „Heimkehr“ von Toni Morrison angesiedelt. Der Afroamerikaner Frank Money, der als einziger von drei Freiwilligen aus seinem Heimatort...

Sprache als Spiegel von Deutungshoheit

… so merkt man spätestens am Ende einer langen Studienzeit, dass man neben einem Berg Schulden zwar wichtige Analyseinstrumente und Terminologien zur Hand hat, aber nicht die relevanten „Gatekeeper“ kennt, um an die Orte zu gelangen, um dieses Wissen zu teilen und damit das kollektive Gedächtnis mitzugestalten. (Tunay Önder: „Ain’tegration – Work in Progress. Perspektiven aus dem migrantenstadl“, in Hill/Yıldız (Hg.): Postmigrantische Visionen, 224) Dieser Satz von...

Erinnerungsgemeinschaften an den Nationalsozialismus in Kärnten/Koroška

In Kärnten/Koroška treffen zwei Erinnerungsgemeinschaften aufeinander, die sehr unterschiedliche Erinnerung an den Nationalsozialismus pflegen: Auf der einen Seite steht die hegemoniale Erinnerung an den Abwehrkampf von 1920 und die Übergriffe der Partisan_innen auf deutschsprachige Familien bzw. Kollaborateur_innen der Nazis. Auf der anderen Seite stehen slowenischsprachige Familien und ihre Nachfahr_innen, die aufgrund ihrer Sprache verfolgt und deportiert wurden oder im Widerstand aktiv waren. Diese pflegen seit 1945 ein...

Unter Weißen – was es heißt, privilegiert zu sein

Mit welchen Diskriminierungen sehen sich Nichtweiße im Alltag konfrontiert? Der ZEIT-Magazin-Reporter Mohamed Amjahid erzählt über rassistische Alltagserfahrungen auf Grund seiner marokkanischen Herkunft. Wie fühlt es sich an, wenn man als hoffnungsvoller marokkanischer Teenager seine Schwester in Deutschland besuchen möchte, aber kein Einreisevisum für das Land erhält? Und wenn man auf Grund seiner dunklen Hautfarbe bei der Einreise in die USA von texanischen Grenzbeamten festgenommen und stundenlang an...

Unkontrolliertes Systemversagen

Der vorliegende Sammelband* präsentiert vielfältige Facetten der alltäglichen Praxis des sogenannten Maßnahmenvollzugs und veranschaulicht die zumeist unbekannte Realität anhand konkreter Situationen und Vorfälle. Über den Maßnahmenvollzug, also die Unterbringung von sogenannten geistig abnormen StraftäterInnen in speziellen Einrichtungen, wird wenig gesprochen. Wenn nicht im Zuge einer Urteilsverkündung erwähnt wird, dass der Täter in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen wird, oder wenn nicht gerade eine Reportage über...