Denkt man an österreichische Popmusik, so fallen einem sofort erfolgreiche Bands wie „Wanda“, „Bilderbuch“ oder „Nino aus Wien“ ein. Aber auch aus historischer Perspektive assoziieren viele Austropop mit vor allem männlichen Vertretern: Ambros, Danzer, Falco, Fendrich und Co. wurden zweifelsohne zu wichtigen, kulturellen Repräsentanten Österreichs. Doch wo sind die weiblichen Musikerinnen?
Nur 10% aller PopmusikerInnen sind weiblich
Bei einem genaueren Blick auf die Thematik zeigt sich, dass weibliche Popmusikerinnen nicht nur kaum sichtbar, sondern auch kaum vertreten sind. Das SRA (SKUG Research Archiv) ist Österreichs größtes Archiv heimischer Popmusik und startete 2012 das Projekt fem.pop, welches auf die Unterrepräsentanz weiblicher Musikerinnen aufmerksam macht und die Daten hinsichtlich ihrer Geschlechterverhältnisse auswertet.
Die quantitativen Auswertungen beweisen, dass jegliches Popmusik-Genre, jede Besetzungskonstellation und jedes Instrument deutlich in den Händen männlicher Kollegen liegen; wobei Frauen am ehesten noch stereotype Positionen wie etwa jene der Sängerin einnehmen, aber nur äußerst selten zu Gitarre, Bass oder Drumsticks greifen.
Ich seh, ich seh, was du nicht hörst
Aber dennoch gibt es sie, die erfolgreichen Musikerinnen: Noch bevor sich in den 1970er Jahren der Austropop etablieren konnte, reüssierte die erste österreichische Popmusikerin Musikerin Beatrix Neundlinger mit ihrer Band Milestones, die 1968 gegründet wurde. Zwei Jahre später war es eine Frau, die den ersten Austropop-Hit lieferte: Marianne Mendt wurde mit ihrem Song „Wie a Glock’n“ zur „Mutter des Austropops“. Auch in den Folgejahren konnten sich bedeutsame Popmusikerinnen wie etwa Erika Pluhar, Maria Bill, Jazz Gitti, Goldie Ens und Stefanie Werger in der Männerdomäne behaupten, wobei letztere oft als „weiblicher Ambros“ bezeichnet wurde, womit sie sich allerdings nicht identifizieren wollte: „Ich war damals noch nicht die Werger, aber ich wollte die sein, wie ich mir vorkomm, also nicht ‚der weibliche Ambros’. Man wird ja immer in eine Schublade gesteckt […], aber mich konnte man nicht zuordnen.“
Gemeinsam stark!
Aber auch abseits des Mainstream-Pops entwickelten sich von der in den 1990er Jahren vom angloamerikanischen Raum ausgehenden Riot Grrrl Bewegung neue Handlungsspielräume: Im Jahr 2004 kam es zum ersten Ladyfest in Wien. Weibliche Popmusikerinnen, wie etwa Gustav, Mieza Medusa oder Bands wie First Fatal Kiss, Pinksoda und Bloody Mary fingen an, sich untereinander zu vernetzen. Laut Musikwissenschaftlerin Monika Ankele ging es hier vor allem um „Selbstbestimmung und Emanzipation, ein sich Freimachen von Bevormundung und klischeehaften Festschreibungen.“ Auch heute bietet das jährlich stattfindende Girls Rock Camp jungen Frauen die Möglichkeit, sich zu vernetzen, musikalisch weiterzuentwickeln und Bühnenerfahrung zu sammeln.
Aber auch andere Initiativen wie etwa queer-feministische Labels oder die DJ-Plattform female:pressure, die von Susanne Kirchmayr, alias Electric Indigo, gegründet wurde und eine Datenbank internationaler, weiblicher DJs beinhaltet, versuchen dem Ungleichgewicht entgegenzuwirken.
So What’s the Problem?
Da aber der Anteil weiblicher Pop-Musikerinnen seit 50 Jahren verschwindend klein bleibt, suchte ich im Rahmen meiner Diplomarbeit mit dem Titel „Perspektiven auf den Handlungsspielraum österreichischer Popmusikerinnen“ nach Gründen und Gegenstrategien dieser Unterrepräsentanz.
Im Rahmen zahlreicher Interviews zeigte sich, dass bspw. fehlende Sichtbarkeit bzw. Vorbilder, stereotype Rollenerwartungen, prekäre Arbeitsverhältnisse, zum Teil sexistische Diskriminierung, aber auch informelle Männernetzwerke (Veranstalter, Bandkollegen, Journalisten, Booker…) zusammenspielen. Es wird eben „noch immer nicht als normal angesehen, als Frau Musik zu machen“ meint Labelbetreiberin und Musikerin Aurora Hackl, denn Unterrepräsentanz führe zu Unterrepräsentanz – es kommt dementsprechend zu einem kulturellen Teufelskreis.
Doch viele Musikerinnen wissen zu kontern: Solidarisches Handeln, Selbstpositionierung und die Konstruktion eigener Spielräume sowie eigener Bühnenrollen sind sinnvolle Strategien. Ebenso verlangt es – im Gegensatz zu männlichen Kollegen – nach Reflexion des eigenen Schaffens, um sich selbst und seine Kunst legitimieren und Kritik abwehren zu können.
Raffaela Gmeiner ist Musik- und Kommunikationswissenschaftlerin und befasste sich in ihrer Masterarbeit mit dem Handlungsspielraum österreichischer Popmusikerinnen
Abbildung: fem.pop Statistik zum Geschlechterverhältnis österreichischer Bandbesetzungen