Kategorie: Analyse & Kommentar

Doron Rabinovici: Das ist der Moment, um Farbe zu bekennen

Dieser Kommentar ist am 9.10.2023 im FALTER erschienen. Wer angesichts der Aufnahmen aus Israel die Untaten der Hamas durch den Verweis auf die israelische Besatzung relativiert, verteidigt die Massenmörder. Fernab meiner Nächsten in Israel bin ich ihnen in diesen Tagen näher noch als sonst. Ich folge den hebräischen Sondersendungen. Ich vergrabe mich in die sozialen Medien. Ich höre von jüdischen Bekannten, dessen Angehörige umgebracht wurden. Alle sorgen...

Osterhasen müssen wieder demonstrieren

Es war im Frühjahr 2012, als im Zuge der Erarbeitung von Maßnahmen für den Nationalen Aktionsplan Behinderung (NAP) Schoko-Osterhasen für Inklusive Bildung und das Ende von Sonderschulen demonstrierten. AktivistInnen der Selbstbestimmt Leben Bewegung hatten kleine Transparente mit Sprüchen wie „Keinem Kind tut eine Sonderschule gut“ oder „Inklusion statt Isolation“ gebastelt, den Osterhasen sozusagen in die Pfoten gedrückt und stellten diese bei Veranstaltungen des Bildungsministeriums auf. Damals nützte...

„Aber es ist noch nicht alles getan“ Van der Bellens Entschuldigung ist ein Versprechen

Am 10. Oktober 2020 wurde in Kärnten/Koroška das 100-jährige Jubiläum der Kärntner Volksabstimmung begangen. Bundespräsident Alexander Van der Bellen sprach bei der Veranstaltung historische Worte und entschuldigte sich bei den Kärntner Slowen*innen für das bisher erlittene Unrecht: „Ich möchte den Artikel 8 der Österreichischen Bundesverfassung noch einmal in Erinnerung rufen. Darin bekennt sich die Republik Österreich zu ihrer gewachsenen, sprachlichen und kulturellen Vielfalt, die in den autochthonen...

Wo man mit Wahlen die Grenze schrieb oder können Grenzen tatsächlich demokratisch festgelegt werden?

In Zentraleuropa war Vielsprachigkeit immer üblich. Erst seit dem 19. Jahrhundert kämpften Nationalist*innen um die Frage, welche Sprache wo sichtbar werden darf (und welche nicht). In Südkärnten eskalierten diese Konflikte erstmals nach dem Ende des Ersten Weltkriegs, um die Frage des Grenzverlaufs und während der NS-Herrschaft in Enteignung und Deportation. Slowenischsprachige Österreicher*innen waren als Partisan*innen Teil der einzigen größeren Gruppe, die die Anforderungen der Moskauer Deklaration an...

Wo bleibt die Vernetzung von Frauen mit Behinderungen?

Im Gegensatz zu Deutschland gibt es in Österreich weder regional noch bundesweit organisierte und etablierte Interessensvertretungen von Frauen mit Behinderungen. Die UNO hat Österreich dafür bereits heftig kritisiert. Bisherige Versuche sind im Sand verlaufen, aber eine neue Initiative macht Hoffnung, dass behinderten Frauen die Vernetzung auch hierzulande gelingen könnte. In Deutschland gab es die ersten Schritte einer „behinderten Frauenbewegung“ [1] bereits in den frühen 1980er Jahren, als...

Systemrelevanz und Gesellschaftskritik

Das Virus hat uns neben vielen anderen Zores in nur wenigen Wochen auch ein ganzes Wörterbuch beschert. Da sind Neologismen und Anglizismen ebenso drin wie Fachbegriffe, die nun unseren Alltag beherrschen nebst Mund-Nasen-Schutz, Baby-Elefant und Germ-Suche. Ende April las ich eine Zeitungsmeldung, wonach die „Corona-Krise“ (selbst einer dieser Termini) 700 neue Wörter mit sich gebracht haben soll. Hier gebe ich mal eine Liste meiner Lieblings-Corona-Begriffe: Testung, Durchseuchung,...

Die Schande Europas – Zur Lage behinderter Menschen in Osteuropa.

Nothing about us without us! Im europäischen Wendejahr brach nicht nur der Reale Sozialismus zusammen; im selben Jahr wurde auch das European Network on Independent Living (ENIL) gegründet – der europäische Ableger der weltweiten autonomen Behindertenbewegung (Independent Living Movement), die Ende der 60er Jahre von Kalifornien ihren Ausgang genommen hatte und sich dann in mehreren Wellen bis Europa ausbreitete. Zentrales Anliegen war und ist das Ende der...

Stellungnahme der Initiative Minderheiten zum Regierungsprogramm 2020 – 2024 bzgl. der Volksgruppen

Eine knappe Seite wird den Volksgruppen im neuen Regierungsübereinkommen (Seite 13) gewidmet, die die Agenden für die sechs gesetzlich anerkannten Minderheiten (Slowen*innen, Burgenlandkroat*innen, Ungar*innen, Tschech*innen und Slowak*innen sowie Roma und Sinti) umfasst. Begrüßenswert, da sie allen Minderheiten zugutekommt, ist das Bekenntnis zur Erhöhung einer Volksgruppenförderung, die eine der langjährigen Kernforderungen der Volksgruppenbeiräte darstellte. Diese wurde seit 25 Jahren nicht mehr erhöht und stagniert bei vier Millionen. Erfreulich...

Beim Wählen gibt es keine Irrtümer …

Wählen heißt Entscheidungen treffen; Entscheidungen unterschiedlicher Tragweite: den größeren oder den kleineren Apfel an der Obsttheke; das legere, bodenlange Kleid oder das Businesskostüm für das Vorstellungsgespräch in einer Traditions-Anwaltskanzlei; die Partei, deren (von ihr bestimmte)  Abgesandte das Land in den kommenden Jahren als Regierung leiten sollen. Man nimmt das, was einem am besten entspricht, am besten gefällt, die meisten Vorteile, die wenigsten Nachteile bringt oder, im schlimmsten...

Ausschnitt eines Ölgemäldes aus dem 18. Jh. über Totentanz. WELLCOME IMAGES, LONDON/ CC BY 4.0

Danse macabre

Dann tritt er auf. Der Kameraschwenk vom Doppelbild auf sein Gesicht gleicht der Erfüllung einer Bestimmung. Was das Publikum darauf zu sehen bekommt, kann nicht in Begriffen der Physiognomik wiedergegeben werden, obwohl diese gewöhnlich den Wortschatz der Fernsehunterhaltung bilden. Die Öffentlichkeit kennt das Gesicht viel zu gut, um es rein nach ästhetischen oder phänotypischen Kriterien zu bewerten. Es ist ein Gesicht mit widersprüchlicher Geschichte, er war einst...