Doron Rabinovici: Das ist der Moment, um Farbe zu bekennen

Dieser Kommentar ist am 9.10.2023 im FALTER erschienen. Wer angesichts der Aufnahmen aus Israel die Untaten der Hamas durch den Verweis auf die israelische Besatzung relativiert, verteidigt die Massenmörder. Fernab meiner Nächsten in Israel bin ich ihnen in diesen Tagen näher noch als sonst. Ich folge den hebräischen Sondersendungen. Ich vergrabe mich in die sozialen Medien. Ich höre von jüdischen Bekannten, dessen Angehörige umgebracht wurden. Alle sorgen...

Das Vermächtnis des Freundes

Im März verstarb unser Kollege Erwin Riess. Einige Wochen zuvor hatte er an die STIMME-Chefredakteurin gemailt, dass er für die kommende Ausgabe krankheitsbedingt nicht schreiben werde, und sie um die Weiterleitung folgenden Wunsches an den Vorstand der Initiative Minderheiten gebeten: „Ich hoffe doch sehr, daß jemand über die Faschistenmachtübernehme in NÖ schreibt.“ Ich will hier versuchen, dieses Vermächtnis meines Freundes zu erfüllen. Zumindest einen Teil davon. „Faschismus“ ist...

Der Autoritarismus im Chat

Ich gehöre zu den Auserwählten, ich habe mit der künstlichen Intelligenz geplaudert. Sie wissen schon: ChatGPT („Chat Generative Pre-trained Transformer“), der sogenannte Bot des US-Unternehmens OpenAI, über den seit einigen Monaten in allen Medien berichtet wird. Die journalistische Zunft fragt sich darin ebenso wie gestandene Uni-Profs oder gutbezahlte Künstler*innen, ob die künstliche Intelligenz klüger sei als sie selbst, freilich mit (noch) negativem Befund. Ein Schelm, wer jetzt...

Ein letztes Bild zum Abschied

Erwin Riess ist gestorben. Er war mein Freund, mein Weggenosse. Das hier ist kein Nachruf, dazu fehlt mir die erforderliche Distanz. Dieser Text ist die schnell erzählte Geschichte einer Zeichnungsreihe, welche nun mit einem letzten Bild ihren endgültigen Abschluss findet. Wir lernten uns 1993 kennen, als ich Erwin an seinem damaligen Arbeitsplatz im Sozialministerium aufsuchte und fragte, ob er denn für die Zeitschrift „STIMME von und für...

Minoritäre Allianzen damals – und heute

Im November 2022 veranstaltete die Initiative Minderheiten eine Tagung im Wiener Volkskundemuseum zum Thema „minoritäre Allianzen“. Unter diesem programmatischen Namen schlägt die Organisation seit dem „Minderheitenjahr 1994“ einen Orientierungsrahmen für politisches Handeln vor. Interessant war für mich auf der Tagung zu beobachten, wie anders heute, nach knapp 30 Jahren, eine junge Generation von Minderheiten-Aktivist*innen diesen Terminus aufnahm. Wir hatten ihn jedenfalls in einer besonderen Zeit und politischen...

Etwas anderes erzählen – Archivarbeit wider die historische Einseitigkeit: »re:framing jenisch« – Projektpräsentation 17.12.2022 | 18:00 Uhr | Kulturbogen55, Innsbruck

Der Blick der Autoritäten auf Jenische zeugt bis weit in die Geschichte der Zweiten Republik hinein vom Verlangen, ihre Lebensweise zum Verschwinden zu bringen und äußert sich nicht zuletzt in den Archiven der Mehrheitsgesellschaft. Es ist Zeit für eine Gegenerzählung, denn jenische Stimmen fehlen in den historischen Sammlungen weitgehend. Eine Leerstelle im kollektiven schriftlichen Wissen war für Romed Mungenast Anstoß, sich eingehend mit der Geschichte der Jenischen...

Die Eule der Minerva

Es ist eines seiner bekanntesten Zitate, und doch herrscht bis heute keine Einigkeit über dessen Bedeutung. G. W. F. Hegel, der Philosoph des Weltgeistes, schrieb folgende Sätze, die für den Geist der Nachwelt vieldeutig bleiben: „Wenn die Philosophie ihr Grau in Grau malt, dann ist eine Gestalt des Lebens alt geworden, und mit Grau in Grau läßt sie sich nicht verjüngen, sondern nur erkennen; die Eule der...

Die dritte Option

Die Illusion ist das zäheste Unkraut des Kollektivbewusstseins; die Geschichte lehrt, aber sie hat keine Schüler (Antonio Gramsci) „Der Krieg ist dieser Tage wieder zur ‚einzigen Alternative‘ geworden. Wir befinden uns wieder einmal in finsteren Zeiten, in denen Militärparaden von Freizeitstrategen wie eine Morgendämmerung im Frühling beschrieben werden, die Faszination des Stahls und der Schaltkreise die grauen Zellen beschlagnahmt, die Zahl toter Menschen mit den Kosten der...

W-Fragen im Untertitel

Kennen Sie den „Kellnerpunkt“? Das ist ein Wort aus Die Tante Jolesch. Der Autor umschreibt den Terminus, der im Café Herrenhof entstanden sei, wie folgt: „Er ergab sich immer dann, wenn ein pompös überdrehtes Gespräch aus den Höhen einer Selbstgefälligkeit zu einer entlarvend primitiven Schlußfolgerung abglitt, die sogar dem Kellner einleuchten mußte.“[1] Ist das nicht elitär? Na sicher, aber zumindest ehrlich. Diese Woche hörte ich auf Ö1...

Buchrezension: Nach der Heimat. Neue Ideen für eine mehrheiimische Gesellschaft – von Veronika Bernard

Buchrezension: Nach der Heimat. Neue Ideen für eine mehrheiimische Gesellschaft Von Veronika Bernard Wie wir leben … Ende 2021 erschien im Verlag Philipp Reclam jun. in der Reihe [Was bedeutet das alles?] der Band „Nach der Heimat“ der beiden an der Universität Innsbruck (Österreich) lehrenden Autoren Erol Yildiz und Wolfgang Meixner. In 10 Kapiteln widmet sich der Band auf 75 Seiten, laut Untertitel, neuen Ideen für eine...