Farbenlehre in der Wahlkabine. Zur Nationalratswahl 2017

Wieder Nationalratswahl also. Diesmal ist sie, wie es offiziell heißt, außerordentlich und vorgeschoben. In der Tat! Außerordentlich, da ich mich an kein größeres Medienspektakel erinnern kann, das je im Zusammenhang mit Wahlen veranstaltet wurde. Täglich gibt es gefühlte achtzig Fernsehduelle auf jedem österreichischen Kanal. Ich gehe Nacht für Nacht von Elefanten zertrampelt ins Bett. Vorgeschoben, weil wir im riesigen Schatten des Wahlkampfes alle anderen Sorgen und Freuden vergessen, die das Leben für die Menschen sonst parat hält. Eigentlich müsste ich sagen: eher geschoben als vorgeschoben – wenn ich mir sämtliche Inszenierungen zwischen dem Abschuss Mitterlehners mitsamt den anschließenden heiligen sieben Kurz-Bedingungen und den jüngsten „Dirty-Campaigning“-Campaignings ansehe.

Die eigentliche Novität bei der Wahl ‘17 ist indes für mich privater Natur (das Private ist eh politisch). Eines der wenigen lustigen Dinge in Zeiten des Wahlkampfes ist bekanntlich die Initiative wahlkabine.at. Dort kann man durch Beantwortung von programmatischen Fragen erfahren, welche politische Partei man eigentlich wählen würde. Ein bisserl ding, wie ich zugeben muss – du hast eine politische Tendenz, weißt aber nicht, zu wem. Innerer Schweinehund, unbewusst, den die wahlkabine.at manifest macht: Das ist irgendwo zwischen The Exorcist und Sigmund Freud angesiedelt.

Alle, die ich kenne und die schon einmal auf die Wahlkabine-Fragen geantwortet haben, mussten feststellen, dass sie – eben unbewusst – die KPÖ wählen wollen. Das kennt man, mir passierte das Gleiche auch jedes Mal. Würde man es nicht wissen, dass bei den Genoss_innen der Safe in der Handkasse untergebracht ist, hätte man denken können, sie würden die Sache sponsern. Nein, das ist altbekannt: Es kommt bei der Wahlkabine immer die KPÖ raus.

Das Novum ist, dass bei mir diesmal Grün herauskam. Als ich das Ergebnis sah, bekam ich es zunächst mit Entsetzen zu tun; mein Kopf drehte sich mehrere Male um die eigene Achse, ich lachte wie besessen und gab unverständliche Laute von mir. Die Grünen, so mir nix, dir nix!

Der Skandal liegt jedoch nicht darin, dass ich nun die Grünen wählen muss. Hier, unter gleichgesinnten Bobos, kann ich es ruhig zugeben: Ich habe schon etliche Male grün gewählt, Asche auf mein Haupt! Das Ding ist, dass ich auf wahlkabine.at eben immer den inneren kommunistischen Schweinehund herausbekommen hatte und das der einzige mildernde Umstand und Trost der (politischen) Philosophie zugleich war. „Ich wähle grün, aber hey, come on, ich ticke simpel und einfach tiefrot! Hätte ich’s gewollt, hätte ich jederzeit auch die Kommunisten wählen können – aber strategisch wählen & Co!“ Es ist der postmoderne Wassermelonen-Effekt: innen Kummerl-rot, außen Müsli-grün. Aber jetzt? Wie soll ich mich jetzt rechtfertigen? „Es warad wegen der Wahlkabine“? Ich werde wohl alt, innen und außen grün? Wie 1980er ist das denn?

Sonst ist alles eh scho wie ghabt. Wahlen jeder Art sind hierzulande seit Mitte der 1980er Jahre ein Synonym für „Schlag den Ausländer!“, was immer man unter diesem Gruppennamen verstehen mag. Insofern ist die Nationalratswahl 2017 nicht außerordentlich, sondern ordentlich (wie der selige Haider dieses Wort geliebt hat!). Wieder eine Wahl, in der die, die nicht wählen dürfen, das Wahlthema sind. Aber nicht, dass sie nicht wählen dürfen, ist das Thema, sondern warum man uns wählen soll, damit die, die nicht wählen dürfen, wirklich auch keine Wahl haben, als draußen zu bleiben. Und die, die schon nun mal hineingerutscht sind (Betriebsunfall wegen Systemparteien), sollen sich gefälligst ordentlich verhalten!

Diesmal werden die „Ausländer“ von den Geflüchteten markiert. Apropos Geflüchtete: Die zweite oder meinetwegen dritte Plakatwelle der beiden „Bewegungen“, die keine Partei sein wollen, aber am Parteifinanzierungsnapf ordentlich mitnaschen – ja, diese Plakatwelle hat inzwischen das Stadtbild Wiens ziemlich umgefärbt. Türkis und blau, wo man hinschaut. Nun will ich ein ernstes Wort an die Chefs dieser admiralblauen Bewegungen richten:

Meine beiden bewegten Herren, ihr starken Männer der energischen und zukunftsweisenden Parteidings: Ihr wisst nicht, was ihr tut! Eure Farben, Blau respektive Türkis, lassen vor allem an eines denken: das Mittelmeer. Das ist schlecht für euch! Denn jene politisch dummen, aber gutherzigen Wähler-Kandidat_innen von euch werden jedes Mal, wenn sie eure dritte (oder die zweite, ich habe nicht mitgezählt) Plakatwelle anschauen, die Wellen vom Mittelmeer vor sich sehen. Und wenn sie sich ein wenig anstrengen, auch die Menschen, die darin ertrunken sind und noch täglich ertrinken. Das ist ein No-Go, tabu, große Gefahr!

Der andere Teil jener Leute wiederum, die nicht gutherzig sind und euch wählen wollen (warum, ist mir ehrlich gesagt auch egal) – na ja, glaubt mir, die wollen sicher nicht an das Mittelmeer erinnert werden, wenn es nicht just um Muscheln in Weinsauce in einer Tschaorle-Trattoria geht!

Es muss aber einen Grund haben, meine flüchtlingswellenhüpfenden Bewegungs-Herren, warum eure Farben so aquamarin gewählt sind. Lauert da vielleicht in den dunkelsten Ecken der Seele insgeheim und unbewusst doch ein anderer politischer Wunsch? Hm? Warme Empfehlung des Bloggers in der Kälte, die ihr Tag für Tag verbreitet: Probiert einmal die wahlkabine.at! Vielleicht kommt bei euch auch irgendetwas raus.

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