Das Projekt „Wir schreiben uns ein“ öffnet literarische Räume und bietet Frauen mit Fluchthintergrund aus Syrien, Afghanistan, dem Irak und dem Iran seit Mai 2017 die Möglichkeit die deutsche Sprache nicht nur im Alltag zu verwenden, sondern vielmehr in ihrer literarischen Vielfalt zu erfahren und sich dadurch selbst zu ermächtigen. Es sind Frauen mit Bildung die an den Kursen teilnehmen. Frauen, die in ihren Heimaten Lehrerinnen waren oder Krankenschwestern.
„Wir schreiben uns ein“ entstand aus der Erkenntnis, dass geflüchtete Frauen meist durch die Obsorge ihrer Kinder weniger an einer gesellschaftlichen Integration teilnehmen können und oft auch mit engagierten Projekten innerhalb von Flüchtlingsunterkünften kaum die für sie üblichen Räume verlassen können. Sie werden auf klassische Rollen reduziert und es wird ihnen oftmals die Möglichkeit verwehrt am öffentlichen Leben in Österreich teilzunehmen.
Seit 2015 arbeite ich mit Geflüchteten und seit 2007 entwickle ich mit Mädchen und jungen Frauen Selbstermächtigungsprojekte, und so war mein Ziel mit dem Projekt „Wir schreiben uns ein“, Verbindungen verschiedener Kulturen in der neu erworbenen gemeinsamen Sprache herzustellen und auch Räume, reale wie literarische zu öffnen. Für einige Frauen in den Kursen war die Auseinandersetzung mit ihrem eigenen Schreiben mehr als nur eine Übung die deutsche Sprache neu zu erfahren. Geschichten werden erzählt, die sonst keinen Platz haben, weil die Frauen meist immer nur im Alltag funktionieren müssen.
„Wir schreiben uns ein“ bietet literarisch interessierten Frauen mit Fluchthintergrund zum einen die Auseinandersetzung mit Gegenwartsliteratur österreichischer Autorinnen, zum anderen erhebt das Projekt den Anspruch des gesellschaftlichen Brückenbauens, mit den ersten Klassen wird uns aber auch klar wo wir noch mehr Augenmerk hinlegen müssen: Das Lesen und Verstehen der Themen österreichischer Autorinnen scheint die Frauen weit mehr zu bewegen, als ursprünglich angenommen. Das Verbindende in der Literatur wird relevant, Schritte gegen übliche Marginalisierungen werden unternommen auch durch die Orte, an denen geschrieben wird, das Wiener Literaturhaus und die Österreichische Gesellschaft für Literatur.
Über das eigene Schreiben hinaus wird auch gelesen. Gemeinsam lesen die Frauen Lyrik österreichischer Autorinnen wie Ingeborg Bachmann, Friederike Mayröcker oder Ilse Aichinger.
Am 19. September 2017 wird das Projekt erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. Ab 19.00 stellt die Projektleiterin gemeinsam mit Teilnehmerinnen und den Lehrenden das Projekt vor. Zu hören werden Texte der Teilnehmerinnen aus Afghanistan und Syrien sein aber auch ausgewählte österreichische Lyrik.
Österreichische Gesellschaft für Literatur Herrengasse 5, 1010 Wien 19.9.2017, 19.00 Uhr. „Wir schreiben uns ein“ – Eintritt frei.
Evelyn Steinthaler, Jg. 1971, studierte Kommunikationswissenschaft3n. Autorin, Herausgeberin, Hörbuchproduzentin, Übersetzerin, Biografin, Performerin, Moderatorin und Jugendarbeiterin. Über viele Jahre im Journalismus und PR-Bereich tätig. Neue Schwerpunktsetzung in gesellschaftspolitischen Projekten mit Fokus auf Empowerment von Frauen und Mädchen.