I like #2 Kärntner Slowenen Punk im Wiener Konzerthaus

Ein Interview mit Nikolaj Efendi, Sänger der Band Roy de Roy!

Nach mittlerweile drei veröffentlichten Studioalben und jahrelangen Konzerttourneen ist die Band Roy de Roy aus der österreichischen Musikszene kaum mehr wegzudenken. Musikalisch bewegt sich das Quintett zwischen Balkenbeats, Punk und Folk, integriert unterschiedliche Einflüsse und beschreibt den Sound mit Augenzwinkern als „World Punk“. Obwohl die meisten ZuhörerInnen die Songtexte nicht verstehen, weil sie auf Slowenisch verfasst sind, transportiert die Musik ein klares Feeling und eine unmissverständliche Botschaft: Wut gegen Nationalismus und Fremdenhass mit gleichzeitiger Solidarität innerhalb der Community. Ich habe Nikolaj Efendi, Sänger von Roy de Roy anlässlich des Auftritts im Wiener Konzerthaus am 12.Mai 2018 interviewt.

Raffaela Gmeiner: Wie hat sich das Musikprojekt Roy de Roy entwickelt?

Nikolaj: Matej (Akkordeonist) und ich haben damals schon in Kärnten gemeinsam Bandprojekte gestartet. Als wir nach Wien gezogen sind, haben wir Sehnsucht nach der slowenischen Sprache gehabt. Wir wollten live spielen und viele Einflüsse zulassen. Bis auf unseren Trompeter sind lustigerweise auch alle anderen Bandmitglieder in dieselbe Schule, ins Slowenische Gymnasium in Klagenfurt, gegangen. Es sieht so aus, als ob wir von der Schule rekrutieren würden (lacht). Es ist aber tatsächlich Zufall… es ist etwas Tolles an der Kärntner Slowenischen Community in Wien, dass sie sich nicht aus den Augen verliert, v.a. durch den Club Slowenischer StudentInnen ist einfach eine Infrastruktur da, in der man sich öfters trifft. Der Community Gedanke ist auch innerhalb der Band wichtig. Und natürlich – wenn wir alle aus einer Minderheiten-Community stammen, ist auch viel Vertrauen da, das aus einem gemeinsamen Erfahrungsschatz aus Kärnten stammt.

RG: Und auch die Texte sind auf Slowenisch. Wie ist es für Dich, auf Slowenisch zu schreiben?

Nikolaj: Ich habe es sehr schade gefunden und wollte es auch nicht akzeptieren, dass der letzte slowenische Text, den ich damals geschrieben hab, meine Matura war. Dann habe ich versucht, die Sprache auch in Songtexten weiterzuführen. In Deutsch und Englisch wäre das Schreiben theoretisch natürlich leichter für mich, aber nicht auf emotionaler Ebene. Ich finde es irgendwie cool, wenn man es lernt, in seiner Muttersprache emotional zu schreiben – aber nicht faul damit umzugehen, sondern auch die richtigen Wörter zu finden. Das ist für mich wie ein täglicher Slowenisch-Kurs. Auch die Kärntner Slowenische Community in Wien schätzt das Projekt und kann viele unserer Songtexte auswendig. Sprache ist nichts Statisches, sondern immer in Bewegung. Andererseits sagen uns immer wieder Leute aus dem Musikbusiness: „Würdet Ihr englisch singen, würde man Euch besser verkaufen können. Da würde man Euch im Radio spielen“; – „Na, würdet Ihr wahrscheinlich auch nicht, weil dann würdet’s verstehen, was wir singen.“ Also, man eckt mit den Inhalten oder mit der Sprache an. Aber das finde ich cool: Du bringst Kunst und Kultur nicht weiter, wenn du nicht aneckst. Und ich finde, dass Kunst und Kultur für eine Gesellschaft und für die Entwicklung einer Gesellschaft sehr wichtig sind – v.a. als Korrektiv.

RG: Hast Du auch Vorbilder – DichterInnen, MusikerInnen – die in slowenischer Sprache schreiben?

Nikolaj: Ja, einige Songwriter haben mich eigentlich schon immer angesprochen. Da gibt es zum Beispiel Zoran Predin oder Vlado Kreslin. Die haben für mich einen politischen Kabarett-Charakter, also Bredin hat so diesen romantischen Gedanken, so ein bisschen Udo Jürgens-mäßig, nur schöner instrumentiert. Und das hat mich angesprochen, da habe ich was mitgenommen. Aber für Roy de Roy liegt die Ausdruckskraft eher in der Wut und in stärkeren Emotionen und nicht unbedingt in der Verliebtheit oder so… obwohl Verliebtheit ja auch eine starke Emotion ist, aber eben anders…. Wir wollen ein bisschen an den Spitzen der Emotionen kratzen. Die Musik, die ich sonst höre und an der ich mich orientiere, ist allerdings meistens englischsprachig. Slowenische Inhalte muss ich hingegen eher für mich neu erfinden, weil sie sprachlich ein anderes Tempo, einen anderen Rhythmus haben. Und es gibt in Slowenien nicht so eine Bandkultur – da müsste man lang nach Underground Bands suchen.

RG: Woher kommt die Wut? Für Euch ist ja der Begriff Heimatlandverräter sehr wichtig. Kommt dieser für Euch aus der Geschichte der Kärntner Partisanen?

Nikolaj: Ja, im Tiefsten schon, aber es geht um ein Gefühl, mit dem wir aufgewachsen sind. Nämlich dieses, dass du zwei Sprachen sprichst und viele Leute das nicht als Bereicherung, sondern als Bedrohung sehen. Und dann hast du das Dilemma, dass du dich in deiner Heimatstadt als Fremder fühlst. Jeder ist einmal im Bus gesessen und angemault worden, weil er slowenisch geredet hat. Wir waren immer bereit auf Konfrontation, weil wir das von Anfang an immer mitgekriegt haben. Und diese Solidarität, die sich in unser Community entwickelt hat, finde ich sehr spannend. Gleichzeitig ist es für mich ein Rätsel, wie manche Leute Nationalismus und Heimatliebe empfinden können. Ich möchte darüber schreiben, weil es für mich absurd ist.

RG: Neben dem Projekt Roy de Roy hast Du auch ein Soloprojekt gestartet, mit dem Du mittlerweile auch schon zwei Alben herausgebracht hast: Nikolay Efendi.

Nikolaj: Ja, das ist für mich ein Projekt, in dem ich mache, auf was ich Bock hab und eine Art folkiger Ausgleich. Bei fixen Konzeptbands wie Roy de Roy ist man entwicklungstechnisch beschränkt. Man erspielt sich jahrelang ein Publikum und geht eine klare Linie – die Leute wären irritiert, wenn wir auf einmal bspw. Hip Hop spielen würden. Beim Soloprojekt aber kann ich spielen, was ich will. Aber auch hier sind 30-40% der Songtexte auf Slowenisch.

RG: Du hast mittlerweile auch ein eigenes Label und eine eigene Booking Agentur und bist international gut vernetzt…

Nikolaj: Ja, vor allem das Label „Dramatic Pause“ ist eine Plattform, bei der ich eine Infrastruktur für andere schaffen möchte. Dabei möchte ich NachwuchsmusikerInnen, darunter auch bspw. einen jungen Kärntner Slowenen Musiker, unterstützten und mein Wissen an andere weitergeben. Kunst muss nicht auf Ellbogenbasis funktionieren: Der Erfolg des einen ist nicht der Misserfolg des anderen. Das Netzwerk habe ich mir jahrelang aufgebaut: Je länger man es macht, desto leichter wird es. Und wenn man nett ist zu Menschen, kriegt man auch Nettigkeit zurück.

RG: Und Du kannst mittlerweile auch von den Musikprojekten leben?

Nikolaj: Ja, mittlerweile habe ich genug Projekte und unterschiedliche Tantiemeneinnahmen. Auch ein Buch habe ich geschrieben. Es ist in Form eines Theaterstücks und handelt von zwischenmenschlichen Beziehungen in einer Stadt, die geputscht worden ist: Die einen wollen mehr Sicherheiten, die anderen wollen mehr Freiheit. Das sind auch Themen, die bei Roy de Roy vorkommen. Ziel des Theaterstückes war aber nicht das Aufführen, sondern die Charaktere in meinen Songs zu entwickeln: Ich baue mir eine Welt um meine ProtagonistInnen, will ihre Gefühle verstehen und ihre Gedanken und Handlungen nachvollziehen können. Ich brauche Logik. Warum würden Menschen so und so handeln?

RG: Beobachtest Du dabei auch Menschen in deinem Umfeld? Woher kommt die Inspiration?

Nikolaj: Ja, total. Die meisten Charaktere, über die ich schreibe, basieren auf Mischungen von Menschen, die ich kennengelernt habe oder die ich glaube kennengelernt zu habe. Mich fasziniert v.a. die Diskrepanz, dass Menschen glauben, sie sind halt wie sie sind: So auf „Man ist, wie man ist“. Aber eigentlich handeln Menschen ja. Anhand dieses Gedankens sehe ich die Gesellschaft als viel flexibler. Man müsste einfach nur anders handeln: Nichts ist in Stein gemeißelt, es gibt keine fixen, unveränderbaren, unverrückbaren Faktoren. Viele Menschen sagen als Ausrede für ihr Handeln Sätze wie „Ich bin halt so“. Doch auch sie könnten was ändern, indem sie einfach anders handeln würden. Vielleicht bin ich auch naiv, aber mir ist das wurscht (lacht).

RG: Am 12. Mai, also in zwei Wochen, spielt Ihr im Wiener Konzerthaus….

Nikolaj: Ja, das ist für uns eine Ehre; es ist auch ein Symbol für etwas. Natürlich ist uns jedes Konzert gleich wichtig, wir geben immer das beste. Aber es ist ein Symbol dafür, woher wir kommen. Wir kommen von verranzten punkigen Hütten und jetzt dürfen wir in einem Prestigebau spielen – aber eigentlich mit einem ziemlich ähnlichen Set. Und das ist ein Kompliment – auch für unsere Inhalte: Wir stehen für etwas, das unverrückbar ist. Mir kommt vor, als ob viel Kunst heute nicht viel Meinung hat, aber Meinung ist gerade im Kunstbereich sehr wichtig! Und ich glaube das Publikum im Konzerthaus ist offen dafür! Klar, man hätte es sich als Konzerthaus leichter machen können. Aber ich finde es super, dass sie keine Abkürzungen gemacht haben.

Tickets fürs Konzert sind auf der Website des Wiener Konzerthauses erhältlich.

Youtube-Video zu Heimatland Verräter von Roy de Roy

 

Schreibe einen Kommentar