Aus den Augen, und – nicht – aus dem Sinn …

Der November 2018 war der Monat der Erinnerung an Europas Geschichte der Gewalt in Form fahrlässig durch nationalistische Egoismen herbeigeführter Kriege, Zerstörung, ethnischer Verfolgung, Vertreibung und Genozid: der 9. November als Erinnerung an den Beginn der Judenpogrome der nationalsozialistischen Herrschaft, der 11. November als Erinnerung an das Ende des 1. Weltkriegs. Am 11.11.2018 jährte es sich zum hundertsten Mal.

Ich verfolgte am späten Vormittag dieses Sonntags die Live-Übertragung des Erinnerungstreffens in Paris auf CNN, und es wirkte auf mich wie eine Aussage über Gesellschaft und Politik in Österreich und Deutschland, dass ich dies auf CNN tat – oder eigentlich: tun musste. Keine der öffentlich-rechtlichen Fernsehstationen der beiden Länder hatte die Live-Übertragung im Programm. Dort, wo man im Zentrum dieses und auch des nur zwei Jahrzehnte später folgenden zweiten großen und so zerstörerischen europäischen Krieges des 20. Jahrhunderts gestanden hatte, liefen auf allen Kanälen die üblichen Sonntagvormittagsendungen. Es herrschte Alltag.

Wie weit erlauben wir uns also – nimmt man die Existenz bzw. das Fehlen von Live-Medienberichterstattungen als Gradmesser – die Erinnerung an die eigene gewaltgeprägte nationalistische Vergangenheit? Aus der Perspektive des sicheren Abstandes einer von Historiker_innen aufbereiteten Berichterstattung eines „das ist Vergangenheit“?  Oder aus der Perspektive eines unmittelbar und greifbar vermittelten Auftrags an uns alle, aus der Geschichte zu lernen?

Die Rede des französischen Präsidenten Emannuel Macron kurz vor Mittag des 11.11.2018 spannte exakt diesen Bogen zwischen politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen damals und heute, verbunden mit der Mahnung, jede/r Politiker_in sei verantwortlich für den Weg des Staates und der Gesellschaft, die ihm anvertraut ist: „Nationalismus ist das exakte Gegenteil von Patriotismus“, waren seine Worte.

Dies sind wahre Worte, die Gehör verdienen, weil sie unserer Gegenwart den Spiegel vorhalten: einer Gesellschaft, die gespalten ist über die Frage, wer in unserer Gesellschaft, in den europäischen „Nationalstaaten“, wie leben darf: als (Staats)-Bürger_in, als Bürger_in der europäischen Union, als jemand, der keinem dieser beiden Rechtskörper angehört, also ein „Fremder“ ist, als jemand, der sich aufgrund seiner/ihrer Biografie mehreren Staaten zugehörig fühlt und ihnen als Bürger_in angehören möchte, oder aber als jemand, der vor Krieg, Vertreibung, Not und Chancenlosigkeit aus seiner/ihrer Heimat geflohen ist – wie wir es in den Jahren seit 2015 überdeutlich erleben …

Es ist diese Gemengelage aus eigener Geschichte und gegenwärtiger Positionierung, die die Entwicklungen der Jahre 2015-2018 so relevant macht: das Verhalten von Politik und Gesellschaft jenen gegenüber, die vor Verhältnissen fliehen, wie sie Europa aus seiner eigenen Geschichte nur zu gut kennt …

Dieser Relevanz geschuldet und verpflichtet ist das Buchprojekt „Drei Jahre Europa – Three Years Europe“, dessen Call for Papers diesem Beitrag angeschlossen ist. Er richtet sich europaweit an NGOs, Institutionen und Private, die in den Jahren 2015 bis 2018 nachhaltige Projekte mit minderjährigen Geflüchteten durchgeführt haben. Er richtet sich europaweit an NGOs, Institutionen und Private, um solche Projekte zu dokumentieren – damit nicht  aus dem  Sinn gerät, was aus den Augen gerät  …

Foto: Taha el Jaddouh: Meer 2015

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Call for Papers

Drei Jahre Europa – Three Years Europe

Der vorliegende Call for Papers bezieht sich auf den projektierten Sammelband Drei Jahre Europa – Three Years Europe, der sich konzeptionell an das Interview-Filmprojekt gleichen Titels (Projektleitung: PD Dr. Veronika Bernard/ Univ. Innsbruck, Univ-Prof. Dr. Erol Yildiz/ Univ. Innsbruck) anschließt und sich mit zentralen Aspekten der Europa in den Jahren 2015 bis 2018 erreichenden Migrationsbewegung auseinandersetzt.

Als Herausgeber des Bandes zeichnen Veronika Bernard (Univ. Innsbruck) et al. verantwortlich. Die Veröffentlichung ist für das Jahr 2020 im Lang Verlag (oder optional im transcript Verlag) geplant. Publikationssprachen sind Deutsch und Englisch. Die Länge der einzelnen Beiträge ist mit 10 Seiten veranschlagt. Schwarzweißillustrationen sind in einem beschränkten Umfang möglich.

Der Sammelband wird zwei Abschnitte umfassen. Abschnitt 1 (Kapitel 1) wird sich mit diversen Schlüsselaspekten von Migrationsbewegungen befassen. Die Beiträge werden von eingeladenen Experten geleistet.

Abschnitt 2 (Kapitel 2) ist gedacht als Dokumentation von auf Nachhaltigkeit und Hebung von Potentialen setzenden Projekten mit minderjährig Geflüchteten aus den Jahren 2015 bis 2018 und aus allen Ländern Europas. Auf diesen Abschnitt des Sammelbandes richtet sich der vorliegende Call for Papers.

Erbeten werden Abstracts (Umfang: 150 Wörter), die den Titel und die Zielsetzung des Projektes sowie den Namen der Projektverantwortlichen enthalten, die e-mail-Adresse und die Angabe der Zugehörigkeit zu einer Organisation oder Institution (wenn gegeben). Inhalt der Abstracts soll die aussagekräftige Beschreibung des Projektes sein mit besonderem Schwerpunkt auf jenen Projektaspekten, die Nachhaltigkeit und die Hebung von Potentialen sichern. Angaben zur Anzahl von im Beitrag inkludierten Fotos, Illustrationen und Statistiken/ Diagrammen ist verbindlich erforderlich.

Deadline für die Einreichung von Abstracts: 20.12.2018 (24:00 MET)
Abstracts sind zu richten an: images-1@gmx.at  (cc Veronika.Bernard@uibk.ac.at)
Abstracts (und eingereichte Artikel) durchlaufen ein peer-review.

Bei Annahme eines Beitrags-Vorschlages für die Publikation, ist der druckreife Beitrag als Word-Dokument im Umfang von mindestens 18 500 und maximal 20 000 Anschlägen (inklusive Leerzeichen) einzureichen. Dies entspricht zwischen 8 und 10 Druckseiten. Sollte der Beitrag Fotos/Illustrationen/Grafiken enthalten reduziert sich der Textanteil proportional, da die maximale Anzahl von 10 Druckseiten nicht überschritten werden kann.

Deadline für die Einreichung der Beiträge: 31.3.2019 (24:00 MET)
Beiträge sind zu richten an: images-1@gmx.at  (cc Veronika.Bernard@uibk.ac.at)

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This call for papers refers to the book Drei Jahre Europa – Three Years Europe, which takes up the idea of the interview-film project of the same title (project leaders: PD Dr. Veronika Bernard/ University of Innsbruck, Univ-Prof. Dr. Erol Yildiz/ University of Innsbruck). The articles will focus on vital aspects of the migration movement reaching Europe during the years of 2015-2018.

Editors will be Veronika Bernard (University of Innsbruck) et al. The book will be published by Lang Verlag (or by transcript Verlag) and will be available by early 2020. The articles will be in English and German. Length of articles will be 10 pages. The book will include a limited number of black and white illustrations.

The articles will be divided into two groups. Chapter one will deal with key issues of migration movements. The articles in this chapter will be contributed by invited authors.

Chapter two will document projects from all over Europe working with young (underage) refugees having reached Europe during 2015 to 2018 and putting their focus on sustainability and retrieving hidden potentials.

The call for papers aims at motivating contributions to chapter two of the book.

Abstracts of a maximum length of 150 words are welcome. They need to include titles and aims of the projects, names of those in charge of the projects, e-mail address and affiliation to organizations and/ or institutions (if given). Abstracts will give to-the-point descriptions of the projects and put a special focus on the aspects securing sustainability and the realization of hidden/ non-retrieved potentials. Abstracts will also include the number of photos/ illustrations/statistics included in the article.

Deadline for abstract submission: 20 December2018 (24:00 MET)
Please, send your abstract to: images-1@gmx.at (and cc to: Veronika.Bernard@uibk.ac.at)
Abstracts (and full articles) will be peer-reviewed.

When an abstract has been accepted, the full article has to be provided as a word file of a minimum number of characters of 18 500 and a maximum number of characters of 20 000 (including blanks/spaces). This will be between 8-10 pages print. In case the article includes photos/ illustrations/graphs the amount will have to be reduced proportionally as we cannot allow for more than a total number of 10 pages print.

Deadline for submission of full articles: 31 March 2019 (24:00 MET)
Please, send full articles to: images-1@gmx.at (and cc to: Veronika.Bernard@uibk.ac.at)
PD Dr. Veronika Bernard, Innsbruck, 21 November2018

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