Im amerikanischen Süden. Das River Road African American Museum in Donaldsonville, Louisiana

Inmitten von Öl- und Zuckerraffinerien und Düngemittel-Herstellern liegt an der Mississippi-River-Road in Louisiana die kleine Stadt Donaldsonville mit ca. 7400 EinwohnerInnen. Hier, an der German Coast, die ihren Namen dem Umstand verdankt, dass viele der ehemaligen Plantagenbesitzer ursprünglich aus Deutschland stammten, wurde 1994 das erste Museum in Louisiana gegründet, das sich mit der Geschichte der Sklaverei aus Sicht der Versklavten auseinandersetzt. Heute wird dieser Landstrich – aufgrund der durch die Umweltverschmutzung entstandenen hohe Krebsrate – auch Cancer Coast genannt und vor allem von Schwarzen bewohnt. Die schwarzen Viertel sind von weitem sichtbar: ärmliche Containerhäuser, die sich aneinander reihen.

Louisiana war neben Florida der Bundesstaat, in dem ab 1796 Zuckerrohr angebaut und der ab 1810 zum bedeutendsten nationalen Zuckerrohranbaugebiet wurde. Davor wurde vor allem Tabak und Indigo gepflanzt. Anders als auf den Baumwollplantagen, wo Frauen im selben Umfang eingesetzt wurden wie Männer, legten die Zuckerpflanzer Wert auf junge männliche Arbeitskräfte. Die Arbeit auf den Zuckerrohrplantagen war außerordentlich hart und die Lebenserwartung der hier beschäftigten Sklaven sehr gering.

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Das River Road African American Museum

Die Motivation für Kathe Hambrick ein solches Museum zu gründen, war eine Gegengeschichte zu den unzähligen Plantagenmuseen anzubieten, die entlang der German Coast existieren. In diesen ehemaligen Plantagen, die heute neben Museen auch Hotelressorts und Wedding-Locations beherbergen, wird – mit Ausnahme der im letzten Jahr gegründeten Whitney Plantation – einem weißen Mittelschichtspublikum das Leben der Masters und deren Familien im Stil Scarlett O’Haras nähergebracht. Schwarze kommen darin nicht vor. Die Arbeitsteilung dieser Ressorts funktioniert auch heute noch ähnlich wie zu Zeiten der Sklaverei: die Weißen sind die Besitzer dieser Locations und die Schwarzen erledigen die niederen Jobs, als Putzfrauen und –männer, als Hausmeister, als Handwerker und als Gärtner.

Im River Road Museum wird nun seit über 20 Jahren die Geschichte der Sklaverei und der Plantagen in Louisiana gesammelt, archiviert und ausgestellt. Der Museumsgründung ging damals eine umfangreiche 2,5 Jahre dauernde Recherche voraus, die Kathe Hambrick gemeinsam mit Studierenden durchgeführt hatte. Diese Recherche beinhaltete vor allem die Namen von Personen, die auf den umliegenden Plantagen gearbeitet haben. So wurde ein Namensregister von ca. 5000 versklavten Schwarzen angelegt.

Neben der eigens für das Museum angelegten Recherche bringen viele Leute die Nachlässe ihrer Familien vorbei oder Werke afroamerikanischer KünstlerInnen. So wurde in den letzten Jahren eine beachtliche Sammlung in diesem kleinen Museum aufgebaut. Und obwohl es seit Februar 2015 mit der neuen Whitney Plantation nun auch ein eigenes Plantagenmuseum gibt, das explizit die Geschichte aus Sicht der „enslaved people“ erzählt, haben sich deren BetreiberInnen nicht an das River Road Museum bzgl. einer möglichen Zusammenarbeit gewandt.

Wenn man als BesucherIn in das Museum kommt, wird einem zuerst der Film „River Parish Reqium“ vorgeführt, der einen Überblick über die Geschichte der Sklaverei in Parish County zeigt. Unter anderem erzählt Kathe Hambrick darin, dass sie den Anspruch hatte, mit den Objekten und Materialien in ihrem Museum das Leben der Schwarzen Versklavten real und persönlich darzustellen.

Eine möglichst reale und persönliche Darstellung ist oft ein Anspruch, den nicht nur kleine Community-Museen im Süden verfolgen, sondern auch etwa das neue National Museum of African American History and Culture, das am 24. September in Washington D.C. vom Präsident Obama eröffnet worden ist. Dieses hat nicht nur den Anspruch, die gesamte African-American-Geschichte von der Ankunft der Schwarzen in den USA über die Sklaverei, der „Great Migration“ und der Bürgerrechtsbewegung bis heute zu erzählen, sondern auch möglichst „authentische Objekte“ zu zeigen. Neben einem Original-Wachturm des Angola Prisons, einem der gefürchtetsten Gefängnisse des Landes, das in Louisiana liegt und in dem 90% der Insassen Schwarz sind, steht auch eine sog. Slave Cabin, die ehemalige Behausung der Schwarzen auf den Plantagen. Der Direktor, Lonnie Bunch sagte dazu in einem Interview mit der New York Times: „Slavery is the last great unmentionable in public discourse. But this cabin gives an opportunity to come face to face with the reality of slavery. It humanizes slavery.“

Die Zeit der Sklaverei ist der inhaltliche Einstieg in die Ausstellung, die einem chronologischen Aufbau folgt.

Über dem eingangs gezeigten Film hängt das Motto der Ausstellung „Rather die freemen than live to be slaves“ von Henry Highland Garnet, einem bedeutenden Schwarzen Aktivisten gegen die Sklaverei. Dieser Aufruf war Teil seiner Rede „Call to Rebellion“, die er 1843 bei der National Negro Convention in Buffalo, New York hielt. Im National Civil Rights Museum in Memphis wird Garnets Aufruf ergänzt mit: „Remember that you are four millions! Awake, awake! Let your motto be resistance, resistance, resistance!“

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Das Foto daneben zeigt einen schwarze Rücken voller Striemen, es zeigt den Versklavten Gordon, auch “Whipped Peter” genannt, der 1863 von einer Plantage in Louisiana geflohen war und dann für die Nordstaaten in den amerikanischen Bürgerkrieg zog. Dieses Foto, das in einigen Museen im Süden zu sehen ist, ist mittlerweile zu einem Sinnbild für das Leid der Versklavten geworden aber auch für den Widerstand gegen die Sklaverei.

Widerstand ist ein wichtiges Thema im Museum in Donaldsonville. Der Sklavenaufstand von 1811, der in der Nähe stattgefunden hat und bei dem 100 der 500 daran teilgenommenen Schwarzen getötet wurden, ist in einer Vitrine visualisiert: unter anderem mittels Handschellen und einem Flugblatt zu einer Gedenkveranstaltung der Revolte.

 

 

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Vitrine mit Materialien zum Sklavenaufstand von 1811

Auf die berühmte „Underground Railroad“ wird hier ebenfalls hingewiesen. Dieses informelle Netzwerk hat Sklaven auf der Flucht aus dem Süden in den sicheren Norden – wie etwa nach Kanada – unterstützt. Mit geheimen Routen, Schutzhäusern, FluchthelferInnen und geheimer Kommunikation gelang es, zwischen 1810 und 1850 etwa 100.000 Versklavte zu befreien. Diese Geschichte wird auch in einigen anderen Museen des Südens thematisiert. In Memphis, Tennessee existiert etwa ein eigenes Museum zu diesem Thema: das Slave Haven – Underground Railroad Museum.

Nach der Slavery Era wird der wichtigen Reconstruction Era viel Raum gegeben: der Zeit zwischen 1865 bis ca. 1877, in der die Südstaaten nach dem Bürgerkrieg wieder in die USA eingegliedert wurden und die eine gewisse Aufbruchsstimmung für die nun freien Schwarzen mit sich brachte. Wichtige Schwarze Universitäten wurden damals gegründet, wie z.B. die Tuskegee University in Alabama, oder Schwarze Städte wie Eatonville in Florida. Louisiana bekam 1871 mit P.B.S. Pinchback den ersten schwarzen Gouverneur eines US-Bundesstaates, dem auch ein eigener Teil in der Ausstellung gewidmet ist.

Allerdings wurde kurz nach dieser Aufbruchsstimmung mit den so genannten Jim-Crow-Laws die Race-Segregation im Süden für fast 100 Jahre weiter fortgeschrieben. Diese Gesetze schrieben von 1876 bis 1964 eine Trennung von Schwarzen und Weißen unter anderem in Schulen und Bussen vor. Auswirkungen hatten sie auch auf die WählerInnenregistrierung, die an Steuerklassen gebunden waren, AnalphabetInnen von der Wahl ausschlossen, Wissens- und Verständnistests in die Zulassung zur Wählerregistrierung einbanden, sowie wirtschaftlicher Druck und nackte Gewalt auf AfroamerikanerInnen ausgeübt haben. Erst in den 1960er Jahren gelang der Bürgerrechtsbewegung die Aufhebung dieser rassistischen Gesetze.

Die Bürgerrechtsbewegung, die sich im Süden bereits ab Mitte der 1950er Jahre formiert hat, ist jedoch so gut wie kein Thema im Museum in Donaldsonville. Im Unterschied zu den Plantagen-Museen, auch jene der Whitney Plantation, wird das River Road Museum aber auch von einem Schwarzen Publikum besucht. Zum Zeitpunkt unseres Besuchs war eine Frau mit ihren drei Töchtern aus dem Süden Louisianas im Museum. Ihre Motivation: die Geschichte ihrer eigenen Familie kennenzulernen. Ihre Mutter ist in den 1950er Jahren auf einer Plantage im Südwesten Louisianas aufgewachsenen. Ihre Töchter sollten etwas über das Leben ihrer Großmutter erfahren.

 

Cornelia Kogoj, Generalsekretärin der Initiative Minderheiten, reiste mit Christian Kravagna, Professor für Postcolonial Studies an der Akademie der bildenden Künste, im Rahmen einer Forschung zu Museen und Minderheiten vom 29.2. – 29.6.2015 durch die USA.

Fotos: Kravagna/Kogoj

Eine Antwort

  1. Cornelia Kogoj sagt:

    Lieber Rainer Kirmse,

    vielen Dank für Ihr Gedicht, das sehr gut zur jetzigen politischen Situation passt!

    Sehr herzliche Grüße aus Wien,
    Cornelia Kogoj

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