Nicht nur wir sind heuer Dreißig geworden, sondern auch eine unserer IM-Blog Autor*innen: Raffaela Gmeiner wurde im selben Jahr geboren. Hier verrät sie unter anderem, was sie politisch beschäftigt und warum sie beim FM4 Protestsongcontest teilgenommen hat.
Was hat dich rund um das Jahr 1991 politisch bewegt?
Im Jahr 1991 wurde ich geboren, lustigerweise an einem sehr symbolträchtigen Tag: dem 1 Mai. Als Kind dachte ich, dass das Feuerwerk im Wiener Prater nur für mich war. Damals war mein politisches Interesse eben noch nicht so ausgeprägt 🙂 .
Wer hat dich politisch am meisten geprägt?
Die ersten politischen und gesellschaftskritischen Erfahrungen habe ich meinem Vater zu verdanken. Als Künstler beschäftigte er sich viel mit künstlerischen Interventionen und reflektierte in seinen Arbeiten vor allem die Gräuel der NS-Vergangenheit.
Auch andere künstlerische Ausdrucksformen wie z. B. Musik, Literatur, Tanz oder Kino, die (gesellschafts-) politische Inhalte kommunizieren, inspirieren mich, Künstler:innen wie etwa Bob Dylan, Nina Simone oder Josephine Baker. Auch den FM4-Protestsongcontest finde ich großartig, an dem ich mit meiner Band Holawind vor fünf Jahren teilgenommen und den Song Oh Johanna aufgeführt habe, weil ich vom Umgang unserer Regierung mit geflüchteten Menschen schockiert war.
Weitere Einflüsse kamen auf jeden Fall von akademischen Vorbildern: Ursula Hemetek von der mdw brachte mir Minderheitenthemen näher, Ulli Weish von der Uni Wien machte mich auf Genderthemen aufmerksam und Camille Dubois von der Pariser Sorbonne regte mich zum kritischen Nachdenken über Themen wie Armut aber auch LGBTQIA+ an. Diese Frauen sind nicht nur politische oder akademische Vorbilder für mich, sondern geben mir auch eine wichtige Orientierung als junge Frau.
Und wer mich natürlich auch sehr inspiriert, ist Ute Bock!
Welche sind für dich die wichtigsten (minderheiten-)politischen Errungenschaften der vergangenen 30 Jahre?
Ich freue mich z. B. über die Ehe für alle (ENDLICH!), Gender Mainstreaming und Gender Budgeting, Anerkennung der Roma als Volksgruppe, Gesetze für bessere Barrierefreiheit (z. B. Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz 2006), Zulassung privater und freier Radios und Fernsehsender. Und ich habe es damals, 2007, super gefunden, dass ich schon mit 16 wählen durfte. Ich bin der Meinung, dass junge Menschen sehr wohl in der Lage sind, politisch mitzubestimmen. Entscheidungen der Regierung betreffen alle im Land lebenden und agierenden Menschen.
Was beschäftigt dich heute am meisten?
Ich mache mir zurzeit viel Sorgen um Femizide und überlege, was ich persönlich beitragen kann, um Frauen in Gewaltbeziehungen zu helfen (vielleicht ein kleines Charity-Festival organisieren, um Frauenhäuser zu unterstützen?). Was mich auch immer beschäftigen wird, sind die FLINT-Themen, da ich als Frau im Alltag immer wieder mit Sexismus konfrontiert werde. Auch als Kulturwissenschaftlerin fokussiere ich in meinen Arbeiten immer wieder darauf.
Ebenso verarbeite ich Themen wie Klimawandel und Kapitalismuskritik in meinen musikalischen Werken.
In letzter Zeit habe ich viel über die Stigmatisierung und Tabuisierung von Krankheiten in unserer Gesellschaft nachgedacht. Öffentliche Diskussionen über z. B. Depression oder Krebs gibt es kaum und Betroffene fühlen sich stigmatisiert und trauen sich nicht, offen über ihren Zustand zu sprechen.
Was charakterisiert für dich die Initiative Minderheiten? Was möchten möchtest du uns zum Geburtstag mitgeben?
Ich finde die Persönlichkeiten, die für die Initiative Minderheiten arbeiten, sehr inspirierend und bewundere das Engagement, das kompetente Wissen und die Ausdauer. Ich gratuliere zum 30. Geburtstag und hoffe, dass die Organisation noch viele viele weitere Jahre so wertvolle Arbeit verrichtet. Danke!
Raffaela Gmeiner, Musikerin und Musik- & Kommunikationswissenschaftlerin, beschäftigt sich sowohl in ihrer akademischen als auch künstlerischen Arbeit mit (gesellschafts-) politischen Themen.