Im vorläufig letzten Teil von “Verbunden mit der Initiative Minderheiten” hat uns die Erwachsenenbildnerin und ehemalige Kollegin Rahel Baumgartner, die schon im Rahmen der Ausstellung Gastarbajteri mit uns gearbeitet hat, Antworten auf unsere Fragen gegeben:
Anfang der 1990er war bei mir Autonomie angesagt, persönlich und politisch, ein Ausbrechen aus hierarchischen und autoritären Strukturen auf allen Ebenen. 1991 zog ich für ein freiwilliges soziales Jahr nach Vorarlberg. Autonome Jugendarbeit und Reformpädagogik war das, woran ich in diesem Kontext glaubte, besetzte Häuser und die freie Kulturszene mit ihrem breiten Spektrum an selbstorganisierten Gruppen waren die Orte, wo ich mich zugehörig fühlte. Zeitgleich begann ich auch, unterschiedliche ex-sowjetische Länder zu bereisen. Ich erinnere mich an diesen Drang, zu sehen und zu verstehen, was sich hinter dieser gewaltigen Grenze verbarg, die meine Imagination und mein politisches Denken so lange beschäftigt hatte.
Am meisten geprägt hat mich damals wohl das Wörtchen „Ausländer“, aus eigener Erfahrung und dann jahrelang zugespitzt aus dem Munde Jörg Haiders. Es war für mich unvorstellbar, wie sehr Hetze und Repression gegenüber Geflüchteten und Zugewanderten noch zunehmen würden. Die wichtigste Prägung war sicherlich die feministische, am deutlichsten erinnere ich mich mit Anfang der 90er an Autor*innen wie Simone de Beauvoir, Christina Thürmer-Rohr oder bell hooks, gleichzeitig an verschiedene Frauenräume und Aktionen. Erst an der Uni aber und mit Konzepten wie Intersektionalität hat sich mir Identitätspolitik in voller Komplexität erschlossen. Seither stehe ich auf die Initiative Minderheiten mit ihrem breiten Minderheitenbegriff und ihrer Vision, „minoritäre Allianzen“ zu bilden. Auch wenn die politischen Errungenschaften der letzten 30 Jahre in meinen Augen zu wünschen übriglassen, so hat sich doch zumindest auf der Repräsentationsebene vieles getan. Allen voran die großartige STIMME und einige wegweisende Ausstellungen, aber auch sonstige öffentlichkeitswirksame Projekte der Initiative Minderheiten haben hier wirklich vieles bewegt. Ich gratuliere euch allen von ganzem Herzen! Und bitte macht weiter!
Rahel Baumgartner ist Sozialpädagogin, Sozial- und Kulturanthropologin und als Geschäftsführerin bei der Österreichischen Gesellschaft für politische Bildung tätig.