Verbunden mit der Initiative Minderheiten: Monika Sommer, Direktorin des Hauses der Geschichte Österreich

Heute in unserer Geburtstagsreihe “Verbunden mit der Initiative Minderheiten”: Monika Sommer, die wir im Rahmen der Gastarbajteri-Ausstellung im Jahr 2004 im Wien Museum kennengelernt haben und die in den letzten Jahren für uns zu einer wichtigen Verbündeten im Bereich Minderheitengeschichte geworden ist.

Was hat dich rund um das Jahr 1991 politisch bewegt?

1991 war für mich ein Jahr voller Fragen, auf die ich keine Antworten hatte. Als Jugendliche wusste ich auch nicht, an wen ich sie stellen sollte. Ich war neugierig, was aus den Menschen aus den Nachbarländern geworden war, die ich 1989 erstmals in einem bekannten Linzer Kaufhaus an der Landstraße hatte einkaufen sehen, die seither jedoch nicht wiederkamen. Zwar versprachen die Scorpions in den Charts einen „Wind of Change“, doch ich spürte ihn nicht. Meine Politisierung verdanke ich wohl zu einem guten Teil der „Zeit im Bild“, dem täglichen familiären Fixprogramm, bei dem ich zumindest ein wenig mit der Welt und mit „denen in Wien“ in Berührung kam. Ich verstand den zweiten Golfkrieg nicht und noch viel weniger den 10-Tage-Krieg in Slowenien und den Kroatienkrieg. Der Grenzeinsatz des österreichischen Bundesheeres beunruhigte mich und ich hatte den Eindruck, dass Österreich historisch verpflichtet ist, den Flüchtlingen zu helfen.

Wer hat dich politisch am meisten geprägt?

Heute noch im Ohr habe ich den Ö1-Bericht über Jörg Haiders Sager über die „ordentliche Beschäftigungspolitik im Dritten Reich“, der mich wirklich empörte. Daher empfand ich Genugtuung nach Franz Vranitzkys Klarstellung der Mitverantwortung von Österreicherinnen und Österreichern an den Verbrechen des Nationalsozialismus. Irritiert und beeindruckt zugleich haben mich Pionierinnen in der Politik wie Heide Schmidt – vor allem nach dem Lichtermeer und der Gründung des Liberalen Forums – und die Globetrotterin Freda Meissner-Blau mit ihren visionären Forderungen im Bereich der Geschlechterparität und des Umweltschutzes.

Die wichtigsten (minderheiten-)politischen Errungenschaften der vergangenen 30 Jahre?

Echte minderheitenpolitische Meilensteine der letzten 20 bis 30 Jahre waren aus meiner Sicht die Europäische Grundrechtecharta, die Anerkennung der Roma als Minderheit in Österreich, die Beilegung des Kärntner Ortstafelstreits und auch die Fokusverschiebung in den Geschichtswissenschaften, die sich vermehrt des Themas Minderheiten annehmen. Es ist wichtig, dass Geschichte nicht nur über, sondern auch von Angehörigen von Minderheiten geschrieben wird. Heute wie damals gilt, was Hans Kelsen festgehalten hat, nämlich dass „Demokratie nicht etwa die Diktatur der Mehrheit bedeutet“.

Was charakterisiert für dich die Initiative Minderheiten? Was möchten möchtest du uns zum Geburtstag mitgeben?

Der Initiative Minderheiten danke ich für das 30-jährige Engagement und die professionelle Arbeit, die ich persönlich unter anderem bei der aufregend pionierhaften Ausstellung „Gastarbajteri. 40 Jahre Arbeitsmigration“ 2004 im Wien Museum erleben durfte oder 2019 bei dem tollen Projekt „Was wir fordern! Zwei Abende mit Minderheitenaktivist*innen“ im Haus der Geschichte Österreich. Ich wünsche der Initiative Minderheiten weiterhin viele kräftige Stimmen und Akteur*innen, die Österreich vielfältig gestalten wollen.


Monika Sommer ist seit Februar 2017 Direktorin des Hauses der Geschichte Österreich (hdgö). Sie studierte Geschichte und gewählte Fächer an den Universitäten Graz und Wien. Sie war von 1999 bis 2003 wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Kommission für Kulturwissenschaften und Theatergeschichte der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 2002/03 Junior Fellow am Internationalen Forschungszentrum Kulturwissenschaften, bevor sie von 2003 bis 2008 als Assistentin des damaligen Direktors Wolfgang Kos federführend an der Neupositionierung des Wien Museum beteiligt war, an dem sie von 2009 bis 2013 als Kuratorin wirkte.

 

 

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