Verbunden mit der Initiative Minderheiten: Alev Korun, Freundin und Mitstreiterin

In unserer letzten Ausgabe von “Verbunden mit der Initiative Minderheiten” vor der Sommerpause beantwortet uns die ehemalige Nationalratsabgeordnete der Grünen, langjähriges IM-Vorstandsmitglied und Mitstreiterin Alev Korun unsere Fragen:

 Foto: privat

Was hat Dich rund um das Jahr 1991 politisch bewegt?

Da war ich seit drei Jahren in Innsbruck, Politikwissenschaft und Gender Studies studierend. Einerseits war natürlich der Fall der Berliner Mauer und seine Folgen noch immer prägend für die Zeit, andererseits das Erstarken des Rassismus in Österreich durch abwertende, diskriminierende Sprache und Kampagnen der FPÖ. Ab meiner Übersiedlung nach Österreich 1988 beschäftigte ich mich sowohl innerhalb auch außerhalb meines Studiums mit den Fragen: Was bedeutet der Minderheitenstatus in einer Gesellschaft? Wie funktioniert Abwertung durch Sprache und strukturelle Gewalt? Wem nutzt Rassismus? Das galt auch für 1991 (und die Folgejahre). 

Wer hat Dich politisch am meisten geprägt?

Einerseits der Militärputsch in der Türkei 1980, den ich als 11jährige Schülerin miterlebt habe, andererseits meine für mich damals unerwarteten Rassismuserfahrungen bei österreichischen Ämtern und vor allem bei der sogenannten „Fremdenpolizei“. Ersteres konfrontierte mich in einer sehr krassen Art und Weise (Massenverhaftungen, legalisierte Tötung mehrerer junger Menschen durch den Staat, ergo „Vollstreckung“ der Todesstrafe, Verbot von Gewerkschaften und Parteien …) mit den Fragen der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und wie es überhaupt zu einem Staatsstreich durch die Militärs kommen kann. Letzteres öffnete mir die Augen für systematische Diskriminierung und legalisiertes Othering, also des zu „fremd“ Erklärens durch Gesetze. Übrigens lautet der erste Paragraph des österreichischen „Fremden-Gesetzes“ bis heute: „Fremder ist, wer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt“… Es gibt also noch viel zu tun.

Welche sind für Dich die wichtigsten (minderheiten-)politischen Errungenschaften der vergangenen 30 Jahre?

Die Abschaffung des Paragraphen 209 des Strafgesetzbuchs, der Beziehungen zwischen erwachsenen und unter 18jährigen Männern kriminalisiert hat, ist sicher ein ganz wichtiger Meilenstein. Genauso die Öffnung der Ehe, endlich auch für homosexuelle Paare. In die letzten 30 Jahre fallen leider auch die (Briefbomben-)Attentate des rechtsextremen Terroristen Franz Fuchs, die die Ermordung von vier Österreichern aus Roma-Familien bedeuteten. Daraufhin wurden Roma und Sinti endlich als Minderheit rechtlich anerkannt. Aber die gesellschaftliche Ausgrenzung und Diskriminierung in Schule, Alltag und Berufsleben bestehen leider weiter.  

Was beschäftigt Dich heute?

Wie wir die Vision einer Welt, in der die Menschenwürde für ALLE gilt, herunterbrechen, trotz aller Widrigkeiten im Alltag leben und mehr Mitkämpfer*innen dafür gewinnen können; wie man die Vorherrschaft der Ellbogengesellschaft und „Jede*r für sich“ brechen kann; wie wichtig Sprache und Deutung von Zuständen und Verhältnissen dabei sind und vieles damit Zusammenhängende.

Was charakterisiert für Dich die Initiative Minderheiten und was möchtest du uns zum Geburtstag mitgeben?

Natürlich die minoritäre(n) Allianz(en), die für mich noch immer eine bahnbrechende Vision bedeuten. Auch und vor allem weil eine solche Allianz nicht „vom Himmel fällt“, also nicht automatisch sich einstellt, „nur“ weil unterschiedliche Gruppen von Menschen aufgrund unterschiedlicher Vorurteile diskriminiert und verfolgt werden. Umso spannender ist zu überlegen, was die Bedingungen und Möglichkeiten minoritärer Allianzen sind, wie wir sie erkämpfen und ermöglichen können. Dabei war und ist die Initiative Minderheiten für mich Vorreiterin und gesellschaftlich vor allem für eine nachhaltige Entwicklung enorm wichtig. In den über 20 Jahren, in denen ich die Initiative kenne, habe ich von ihr sehr viel gelernt, ob bei diversen Veranstaltungen und Tagungen, wo ich für mich neue Ideen und Zugänge kennenlernen durfte, oder als Vorstandsmitglied. Ich wünsche euch auch für die kommenden 30 Jahre viel Kraft und das weitere Brennen des Feuers für gesellschaftliche Gerechtigkeit! Ich bin mir sicher, dass hunderte und tausende andere Menschen auch in den kommenden Jahren enorm viel von eurer Arbeit profitieren und sich weiterentwickeln werden.

 

 

 

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