Eine unserer Verbündetenorganisationen der letzten dreißig Jahren ist das autonome Zentrum maiz in Linz. Als Selbstorganisation für Migrantinnen im Jahr 1994 gegründet, ist es einer jener Orte, an dem kritische Diskurse nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch gelebt werden. Rubia Salgado, Mitbegründerin von maiz, beantwortet heute unsere Jubiläumsfragen.
Was hat dich rund um das Jahr 1991 politisch bewegt?
Zu diesem Zeitpunkt hatte ich schon vier harte lehrreiche Jahre in Österreich. Neben anderen Subjobs unterrichtete ich auch bereits in Deutsch- und Alphabetisierungskursen, die vom Arbeitsamt finanziert wurden. Sie hießen etwa „Deutschkurse für Gastarbeiter“. Ich kannte den Rassismus unterhalb des Äquators, ich trug in mir die Erfahrung als weiße Person dort aufgewachsen zu sein. Ich kannte die Unterdrückung der Frauen, die brutale Homophobie, die Doppelmoral einer katholisch dominierten Gesellschaft, ökonomische und soziale Ungerechtigkeit. Ich wusste von der Schuld, die auf dem Rücken der Kolonisatoren und kapitalistischen Blutsaugern hier in dieser alten Welt lag, die ich als meine neue Welt gerade betreten hatte, um meine Stimme mit anderen Stimmen zu verbinden.
Wer hat dich politisch am meisten geprägt?
Poesie, Musik, Theoretisches, die meine Gedanken zum Tanzen bringen.
Welche sind für dich die wichtigsten (minderheiten-)politischen Errungenschaften der vergangenen 30 Jahre?
Das Feld, auf dem ich mich bewege, die Erwachsenenbildung, ist durchkreuzt von Arbeits-, Migrations, Integrations-, Frauen-, Sprach-, Asyl-, selbstverständlich Bildungs- und möglicherweise von noch weiteren Politiken. Von diesem durchkreuzten Feld aus kann ich keine politische Errungenschaft ausmachen, im Gegenteil: Die Lage ist schon immer ernst gewesen, aber gerade ist es bereits aus vielen Hinsichten – aber vor allem ethisch – unerträglich. Minderheitenpolitisch nehme ich engagierte Kämpfe in verschiedenen Fronten wahr, unter anderen die Kämpfe der Initiative Minderheiten, mit der wir uns als maiz seit Mitte/Ende der 1990er Jahre verbunden fühlen. Die Kämpfe sind hart in diesem Nationalstaat, die Errungenschaften noch immer zu wenig und zu fragil, aber es gibt wichtige Schritte, die Hoffnung und Kraft spenden und vor allem das Leben affirmieren.
Was beschäftigt dich heute?
Wie immer viele Fragen. Zum Beispiel frage ich nach der Relevanz des Übens in abstraktem Denken im Rahmen kritischer Bildungsarbeit heute. Darunter denke ich an metaphorisches Denken, denke ich an Poesie und auch an Grammatik.
Was charakterisiert für dich die Initiative Minderheiten und was möchtest du uns zum Geburtstag mitgeben?
Freude, Verbündeten in dieser alten Welt begegnet zu sein. Ich wünsche euch ebenso Freude, denn sonst geht es nicht, und es ist so viel zu tun.
Rubia Salgado ist als Erwachsenenbildner_in, Autor_in und Aktivist_in in selbstorganisierten Kontexten tätig. Schwerpunkte ihrer Arbeit liegen im Feld der kritischen Bildungs- und Kulturarbeit in der Migrationsgesellschaft.