Verbunden mit der Initiative Minderheiten: Vina Yun, Journalistin und Autorin

In der heutigen Folge von “Verbunden mit der Initiative Minderheiten” überreicht uns die Journalistin und Autorin Vina Yun eine Geburtstagstorte und spannende Antworten auf unsere Fragen:

Was hat dich rund um das Jahr 1991 politisch bewegt?

Zu dieser Zeit war ich Schülerin am Gymnasium. Zwei Ereignisse waren während und nach den Schulstunden Thema: Zum einen der Zerfall Jugoslawiens und der Ausbruch des Kriegs am Balkan. Meine damalige beste Freundin stammte aus einer serbischen Familie. Über Jugoslawien wusste ich als Teenager kaum etwas – erst durch meine Freundin erfuhr ich ein wenig von den dortigen politischen Verhältnissen und bekam die Angst und Verunsicherung mit, die der Krieg und die ihn begleitenden gesellschaftlichen Brüche auch die jugoslawische Diaspora in Wien erreichten.

Zum anderen war da der Fall von Rodney King, der von Polizisten in Los Angeles beinahe zu Tode geprügelt und deren Tat zufällig auf Video aufgenommen wurde. Es war eines der ersten filmischen Dokumente über Polizeigewalt in den USA, das weltweit in den Nachrichten zu sehen war – dreißig Jahre vor dem Tod George Floyds und vor dem Internet-Zeitalter. Der Freispruch für die weißen Exekutivbeamten im darauffolgenden Jahr löste die als LA Riots bekannt gewordenen Proteste aus.

Wer hat dich politisch am meisten geprägt?

Total wichtig war für mich, Texte von Schwarzen und postkolonialen US-amerikanischen Feministinnen wie bell hooks oder Chandra Talpade Mohanty sowie von Vertreter*innen der britischen marxistisch geprägten Cultural Studies und der frühen Queer Theory zu entdecken. Einen besonderen Stellenwert hat für mich das Buch „Farbe bekennen“, das schon 1986 erschien und die Perspektiven afrodeutscher Frauen versammelt. Obwohl ich nicht Schwarz bin, kamen hier Erfahrungen zur Sprache, an die ich zum Teil andocken konnte. Hinzukam, dass die Literatur von Schwarzen feministischen Stimmen hierzulande leichter zugänglich war als von anderen, etwa asiatischen, Autorinnen. Selbstorganisierte Migrantinnen wie maiz aus Linz haben mich später weiter politisiert.

Welche sind für dich die wichtigsten (minderheiten-)politischen Errungenschaften der vergangenen 30 Jahre?

Zum Beispiel die Aufhebung des sogenannten Werbe- und Vereinsverbots für LGBTIQ-Organisationen, das bis 1997 gegolten hat – in der Praxis konnten diese zwar tätig sein, sollten jedoch kein „öffentliches Ärgernis“ darstellen. Und auch die Abschaffung des Paragrafen 209, an dem Österreich sehr lange, bis 2002, festgehalten hat. § 209 sah für gleichgeschlechtliche Beziehungen unter Männern ein Schutzalter von 18 Jahren vor und kriminalisierte Schwule. Ohne die Beseitigung dieser Gesetze wären die gleichgeschlechtliche Ehe und die Adoption für Lesben und Schwule nicht möglich geworden – auch wenn ich der Institution Ehe und der Ideologie der Kernfamilie kritisch gegenüberstehe.

Was beschäftigt dich heute am meisten?

Hierzulande gibt es noch hinreichend viele Baustellen. Rassistische Gesetzgebung und „legale Diskriminierung“ grenzen Neuangekommene wie Hiergeborene aus: Menschen, die um Asyl ansuchen, dürfen nicht arbeiten, für jene, die hier geboren wurden, gibt es kein Recht auf die österreichische Staatsbürger*innenschaft. Mittlerweile ist es fast sechzig Jahre her, dass die ersten „Gastarbeiter*innen“ hierhergekommen sind. Trotzdem spielt die Geschichte dieser Migrant*innen in der offiziellen österreichischen Geschichtsschreibung kaum eine Rolle – die Perspektiven von Migrant*innen und ihren Nachkommen auf Migration kommen somit nicht vor. Diese fehlende Anerkennung und das Unsichtbarmachen der Geschichte der Migration entspricht auch dem fehlenden Selbstverständnis Österreichs als einer Einwanderungsgesellschaft.

Was charakterisiert für dich die Initiative Minderheiten? Was möchten möchtest du uns zum Geburtstag mitgeben?

Die Initiative Minderheiten steht für mich für den solidarischen Akt, sich im Bewusstsein unterschiedlicher Positionen und Privilegien miteinander zu verbinden, um eine gerechtere Gesellschaft für alle herzustellen. Einen Raum zu schaffen, in dem soziale Kämpfe, die sonst voneinander getrennt betrachtet werden, zusammengeführt werden können. Eigentlich wünsche ich mir, dass die IM nicht alt wird – oder besser gesagt alt werden muss. Weil ihre Arbeit hoffentlich obsolet wird, weil Rassismus, Antiromaismus, Antisemitismus, Homo- und Transfeindlichkeit überwunden sind.


Vina Yun ist freie Journalistin und Autorin in Wien. Sie veröffentlichte u. a. den Comic „Homestories“ (2017), der den Spuren der Arbeitsmigration koreanischer Krankenschwestern nach Österreich folgt und vom Aufwachsen der Zweiten Generation im Wien der 1970er- und 80er-Jahre erzählt.

 

 

 

Schreibe einen Kommentar