Verbunden mit der Initiative Minderheiten: Nora Sternfeld, Kunst- und Kulturwissenschaftlerin und Aktivistin

Foto: privat

Mit Nora Sternfeld verbindet uns eine besondere Zeit: das Jahr 2000, als so viele von uns jeden Donnerstag gegen die erste schwarz-blaue Regierung demonstrierten. Das war aber nur der Anfang. Weitere Aktionen und Projekte folgten. Unter anderem erarbeite sie und ihre Kolleginnen vom Büro trafo.K das Vermittlungsprogramm zur Ausstellung Gastarbajteri. 40 Jahre Arbeitsmigration (Wien Museum, 2004) und stellte damit das damalige Verständnis von Ausstellungsvermittlung völlig auf den Kopf. Nora antwortet uns heute auf unsere Geburtstagsfragen.

Was hat Dich rund um das Jahr 1991 politisch bewegt?

1991 war ich 15 Jahre alt. Ich war Teil des Hashomer Hatzair, der sozialistisch-zionistischen Jugendorganisation in Wien. Dort leitete ich eine Gruppe und beschäftigte mich mit folgenden Fragen: Wie können wir Antisemitismus bekämpfen? Was ist Sozialismus? Wie und warum wollen wir über Sex mit anderen Jugendlichen sprechen?

Gemeinsam mit Doron Rabinovici organisierten wir eine Demonstration gegen die Kronen Zeitung. Es war meine erste mitorganisierte Demo und meine erste große Liebe bahnte sich an.

Was hat Dich politisch am meisten geprägt?

Tatsächlich hat mich die Zeit der gemeinsamen Kämpfe um 2000 politisch wohl am meisten geprägt. Das war auch die Zeit, in der ich die Initiative Minderheiten kennenlernte. In unmittelbarer Reaktion auf die Nationalratswahlen vom 24. Oktober 1999, in denen die FPÖ 27 Prozent der Stimmen erhielt, hatten wir gettoattack gemeinsam gegründet. Als sich Anfang 2000 die schwarz-blaue Koalition anbahnte, demonstrierten wir erst jeden Tag, dann jeden Donnerstag. Danach organisierten wir gemeinsam antirassistische Wahlkampagnen wie die Wiener Wahlpartie und die Wahlpartie, wir planten Ausstellungen und Projekte gemeinsam. Ich lernte in diesen Jahren zwischen 1999 und 2012 (bis ich nach Finnland ging) in harten Auseinandersetzungen mit vielen Mitstreiter:innen eine antirassistische Position zu formulieren und zu vertreten und ich lernte sie mit anderen Fragen und Kämpfen zu verbinden.

Was beschäftigt Dich heute?

Heute stellen sich mir viele Fragen weiterhin. Ich frage mich: Wie können wir zusammen handeln, in Verhältnissen, in denen wir uns zunehmend isoliert und gegeneinander ausgespielt vorfinden? Was ist eine Konvergenz von Kämpfen für Freiheit, Gleichheit und Solidarität in dieser neoliberalen sich vielerorts faschisierenden Welt? Welchen Konflikten müssen wir uns stellen, welche Konflikte und welche Eitelkeiten können wir auch mal hinter uns lassen?

Was charakterisiert für Dich die Initiative Minderheiten und was möchtest du uns zum Geburtstag mitgeben?

Ich möchte euch zu allererst gratulieren. Ihr seid ein Beispiel für eine politische Ausdauer, die sich weder von Marginalisierung noch von aktivistischen Moden beeindrucken lässt. Happy Birthday!

 


Nora Sternfeld ist Kunst- und Kulturwissenschaftlerin, Kuratorin und Hochschullehrerin und hält eine Professur an der Hochschule für bildende Künste Hamburg. Sie ist Mitbegründerin des Kunstvermittlungsbüros trafo.K und Teil des Leitungsteam des Masterstudiengangs ecm – educating/curating/managing für Ausstellungstheorie und -praxis an der Universität für angewandte Kunst in Wien.

 

 

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