Verbunden mit der Initiative Minderheiten: Sigrid Awart, Projektpartnerin und Stimme-Autorin

In unserer Serie “Verbunden mit der Initiative Minderheiten” stellen wir anlässlich unseres Dreißigsten Geburtstags Freund*innen einige Fragen. Heute Sigrid Awart, mit der wir unter anderem im Rahmen des Filmprojekts “Gute Arbeit” für die Ausstellung “Gastarbajteri. 40 Jahre Arbeitsmigration” (2004) zusammenarbeiten durften.

 Der Name des Klans, in den ich in Lihir aufgenommen wurde, wird mir in den Rücken tätowiert. Ich habe dabei gesungen und mich festgehalten, weil es so weh tat.

Was hat dich rund um das Jahr 1991 politisch bewegt?

1991, selbst noch keine 30, lebte ich ein Jahr lang auf einer der Lihir-Inseln im Bismarck-Archipel in Papua-Neuguinea, um eine Feldforschung für mein Psychologiestudium zu machen. Ich durfte dabei erfahren, wie positiv eine Gesellschaft mit Fremden umgehen kann: mit Interesse, Unterstützung, Offenheit, Humor, anders sein lassen, Angeboten der Inklusion und Partizipation.

Zuvor, Ende der 1980er, beobachtete ich im damaligen Apartheid-Regime Südafrikas ziemlich genau das Gegenteil: Diskriminierung, Misstrauen, Desinteresse, Gewalt, Arroganz, Verbissenheit, Zwänge, Exklusion.

Anfang der 1990er Jahre hat mich daher am meisten der Kampf gegen rassistische Diskriminierung bewegt sowie die Reflexion meiner eigenen widersprüchlichen Rolle als weißer Frau darin.

In dem Dorf, in dem ich in Papua-Neuguinea lebte, gab es damals kein Internet, Fernsehen, Radio, Telefon und auch keine Zeitungen. Politisch standen daher für uns die Geschehnisse auf der Insel und den benachbarten Regionen im Mittelpunkt, nicht aber, was sonst in der Welt passierte.

 

Wer hat dich politisch am meisten geprägt?

Frantz Fanon (Schwarze Haut, weiße Masken. Syndikat, Frankfurt am Main 1980, französisches Orginal: 1952)

Nelson Mandela (Long Walk to Freedom. Little, Brown and Company, New York, Toronto, London, 1994)

Maya Nadig (Die verborgene Kultur der Frau. Frankfurt/M.: Fischer 1986)

Mich hat an der Politik immer schon die sozialpsychologische Perspektive interessiert.

 

Welche sind für dich die wichtigsten (minderheiten-)politischen Errungenschaften der vergangenen 30 Jahre?

1994: Erste freie Wahlen in Südafrika (endlich darf die Mehrheit wählen!).

2004 und 2007: Osterweiterung der EU (Der Mittelpunkt Europas liegt im Osten Polens).

2004: Das GlBG 2004 (ö BGBl I 66/2004) (Gleichbehandlung für alle in Österreich).

2009: Wahl von Barack Obama zum Präsidenten und 2020 Wahl von Kamala Harris zur Vizepräsidentin der USA.

 

Was beschäftigt dich heute am meisten?

1. Benachteiligung von Minderheiten am Arbeitsmarkt und in der Bildung sowie Ghettoisierung beim Wohnen. Mehrstufenintegrationsklassen für alle!

2. Umgang mit Geflüchteten. Wo bleiben unsere Humanität und unser Gemeinschaftssinn in Europa?

3. Diskussionen zum Thema Satire und Minderheiten.

 

Was charakterisiert für dich die IM? Was möchtest du uns und der Stimme zum Geburtstag mitgeben? 

Außergewöhnlich ist für mich an der Initiative Minderheiten, dass ihr euch für alle einsetzt, die benachteiligt werden und nicht nur für eine bestimmte Gruppe wie es die meisten anderen Organisationen machen. Ebenso beeindruckend ist die ganz besondere Sensibilität, Kreativität und Aktualität, wie Ihr Euch mit dem Thema Diskriminierung auseinandersetzt. Ich habe unsere Zusammenarbeit immer sehr genossen, es war immer eine tolle Inspiration und Lernerfahrung!

Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, tausend Dank für eure wichtige Arbeit und hoffentlich können wir bald wieder so richtig feiern wie früher, auch wenn die meisten von uns selbst keine 30 mehr sind!


Sigrid Awart, Psychologin und Ethnologin, ist im Migrantinnenzentrum Peregrina als Bildungsberaterin und Projektentwicklerin tätig.

 

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